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Römische Notizen

Römische Notizen
Weltweit einmalig: Der Vatikanstaat


Wie ist der kleinste Staat der Welt organisiert? 
Woher kommt sein Geld? 
Und wie viele Haustiere leben hier? 
Zum 92. Geburtstag des Vatikans am 11. Februar, hier Infos.

Das Fazit vorab: So einen Staat gibt es weltweit nur einmal.


Der höchste Punkt im Staat ist ein Kreuz. Kein Gipfel-, sondern ein Kirchenkreuz: das Kreuz auf der größten Kirche der Welt, die im kleinsten Staat der Welt steht. Der tiefste Punkt ist ein Grab, das buchstäblich der Grund des Staates ist. Petrus, der galiläische Fischer, dem Jesus die Schlüsselgewalt vermachte, liegt nach ziemlich gutbezeugter Überlieferung unter der Kirche, die nach ihm heißt. In gerader Linie über dem Petrusgab steht der Hauptaltar, darüber erhebt sich die Kuppel und auf ihr das Kreuz, das in den Himmel weist. Um diese senkrechte Achse Petrus - Altar - Kreuz dreht sich der Staat der Vatikanstadt.

Und doch ist das ganze Gebilde, bei aller religiösen Dichte, voll Leben und menschlicher Betriebsamkeit. Hinter dem Petersdom wird ja auch gewohnt und gearbeitet, gejoggt, gebechert, herumgetollt und eingekauft. Nicht nur Beichtväter, Päpste und eine Handvoll Klosterschwestern residieren auf dem Hügel, sondern auch junge Leute und Familien mit Kindern. Es ist alles da, was man so zum Leben braucht, Supermarkt, Kaufhaus, Apotheke, Post, Bank, Tiefgarage, Bibliothek, Kinosaal, sogar zwei Kaffeebars, wenngleich etwas umständlich zu erreichen: eine im Hof des Geheimarchivs, die andere auf dem Dach des Petersdoms. Eine Rundfunkanstalt ist vorhanden, die nicht Lokal-, sondern Globalradio macht, eine Zeitung, eine Druckerei, rund 30 asphaltierte Straßen mit Namen, zwei Ampeln und zwei Tankstellen; auf dem ganzen Staatsgebiet gilt Tempo 30, wer sich bei 40 erwischen lässt oder falsch parkt, zahlt erbarmungslos Strafe bei der Vatikan-Gendarmerie. Es gibt ein Gericht, eine Feuerwehr und einen Bahnhof, dahinter mit 200 Meter Länge das kürzeste Schienennetz der Welt, und es gibt einen Hubschrauberlandeplatz ohne Hubschrauber. Alles, was hier ist, dient freilich im Letzten einem religiösen Zweck. Es ist diese Gleichzeitigkeit aus Leben im Kleinen und Glauben im Weltmaßstab, die den Vatikan als Realität einzigartig macht.

Nur der Vatikan ist eins zu eins einer Religion zugeordnet

Tatsächlich haben wir es hier mit dem einzigen Staat zu tun, der eins zu eins einer Religion zugeordnet ist, und umgekehrt hat die katholische Kirche als einzige Religion einen Staat. Er ist zwar bloß ein winziger Flecken Land in Rom, doch darauf sitzen das Oberhaupt und die oberste Verwaltung der katholischen Weltkirche, die zusammen "Heiliger Stuhl" heißen, für 1,3 Milliarden katholisch Getaufte zuständig sind, als einzige Religionsgemeinschaft ein Völkerrechtssubjekt darstellen und volle diplomatische Beziehungen mit 183 Staaten unterhalten. Der Vatikan selbst ist bloß der Boden, auf dem der Heilige Stuhl steht. Ein Dorf, doch unentbehrlich für die Kirche: Diese 0,44 Quadratkilometer gewährleisten die irdische Unabhängigkeit der geistlichen Weltmacht, die Heiliger Stuhl heißt. Beides, Staat und Kirche, regiert ein- und derselbe Souverän, und zwar absolut. Er wird auf Lebenszeit bestimmt, "absolute, religiöse Wahlmonarchie" nennt die Politikwissenschaft diese nur noch in Rom anzutreffende Regierungsform.

Souveränität bemisst sich im Vatikan nicht nur an einer eigenen Hymne, Flagge, Euro-Münze, KFZ-Nummerntafel und Gerichtsbarkeit, sondern sie wird zur anschaulichen Größe: Bis zu 14 Meter hoch ist die Renaissance-Mauer, die den Vatikan von Rom sauber trennt. Er ist der einzige Staat, der in einer Stadt Platz hat, der einzige, der nachts zugesperrt wird, der einzige, der als Ganzes Weltkulturerbe der Menschheit ist. Der einzige, in dem ein Drittel der Einwohner Sicherheitskräfte sind, und dennoch ist die Kriminalitätsrate die höchste der Welt, was nicht etwa an kleptomanischen Kardinälen liegt, sondern am ungünstigen Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Taschendieben auf dem Petersplatz. Auch ist der Vatikan der einzige Staat, der ohne Quelle, Fluss oder auch nur Bach auf seinem Staatsgebiet auskommt. Das hindert die exakt 100 Brunnen in seinen Gärten nicht am Sprudeln, den römischen Wasserwerken sei Dank.

Und wo wir vom Sprudeln reden: Finanziell lebt der Vatikanstaat, volkswirtschaftlich singulär im Konzert der Nationen, von Immobilienbesitz, Anlageerträgen, Spenden, Eintrittsgeldern und dem Verkauf von Münzen und Marken. Privatwirtschaft am Papst vorbei gibt es im Vatikan keine, deshalb auch keinen Wettbewerb und keine Werbung, tatsächlich: ein reklamefreier Staat. Ein Staat sodann fast ohne produzierendes Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft. Einzig das Gärtlein vor dem Kloster Mater Ecclesiae versorgt die Tafel des hier ansässigen emeritierten Papstes Benedikt XVI. mit Biogemüse. Zum Verkauf hergestellt werden im Vatikan Bücher, Fotos, Mosaike, Arzneien, Seifen und Parfums sowie handbeschriebene Pergamente, die päpstlichen Segen verheißen. Nicht direkt lebensnotwendige Bedarfsgüter, mit Ausnahme des Segens, versteht sich.

Alles übrige wird importiert, vom Auto bis zur Zahnbürste. Sogar die Einwohner: Die Bevölkerung des Vatikanstaates besteht zur Gänze aus Ausländern, wie weiland Petrus einer war. Manche von ihnen haben zwar die vatikanische Staatsbürgerschaft, aber keiner ist damit geboren. Residenz wie Reisepass sind an den Dienst geknüpft: Zum Zug kann überhaupt nur kommen, wer für den Papst arbeitet oder zu jemandem gehört, der für den Papst arbeitet. Wer den Dienst quittiert, gibt die Staatsbürgerschaft zurück; über die Residenz lässt sich im Einzelfall noch verhandeln, auch wenn die Wohnungen im Papststaat rar und begehrt sind - es ist halt schon eine lauschige Oase im lauten, dreckigen Rom.

453 Menschen und 1 Haustier leben im Vatikan

Im Januar 2019 lebten 453 Menschen und 1 Haustier (Hund) im Vatikan, wie uns das Governatorat auf Anfrage mitteilte. Die meisten stammten aus Italien, gefolgt von der Schweiz, die seit einem halben Jahrtausend die päpstliche Leibwache stellt. Der Chef ist Argentinier, aber das wechselt, die übrige Belegschaft ist multikulti extrem und wechselt auch, Kongo, Korea, Köln, alles dabei. Derzeit 17 Einwohner sind Kardinäle, und überraschend viele ihrer Nachbarn sind in Wirklichkeit Nachbarinnen: 133 Frauen residieren im Vatikan, das sind 29 Prozent aller Einwohner. Hätten wir jetzt nicht gedacht.

So international das Vatikan-Volk, so homogen seine Religion: zu 100 Prozent katholisch, nicht eine(r) schert aus, auch das ist weltweit unerreicht. Schuld daran ist kein drakonisches Kirchengesetz. Für eine Festanstellung beim Papst kommen zwar nur katholisch Getaufte in Betracht, rechtlich spricht aber nichts gegen Andersgläubige als Einwohner im Papststaat; es müsste sich eben einmal ein Vatikanbürger divers verlieben. Wilde Ehen wären naturgemäß so unstatthaft wie undenkbar unter den Fenstern des Papstes, reguläre Ehen aber blühen und vermehren sich. Die 110 Schweizergardisten leben, sofern sie Familie haben, mit dieser in der Kaserne. An Geburten verzeichnet das päpstliche Standesamt pro Jahr im Schnitt eine, an Todesfällen fünf.

Einen Hebammendienst braucht es da vernünftigerweise nicht, dafür sind innerhalb der Vatikan-Mauern gleich mehrere uralte Friedhöfe zur Stelle, wenngleich nur zwei noch aktiv sind, und auch das nur für ganz handverlesene Tote. Der deutsche Friedhof und, noch exklusiver, die Grotten unter dem Petersdom. Dort ruhen bevorzugt Päpste. Seit Petrus.

Von Gudrun Sailer


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Thema: Wie der Vatikan sein Personal auswählt

Kommentare

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Rosenlied 11.04.2021 19:58
⛪Danke @Klavierspielerin für den ausführlichen 
Bericht über den Vatikan, der ein kleiner perfekter
"Staat" ist.. Ich hab erst einen Teil gelesen. Das
ist richtig intressant... 
 
Klavierspielerin2 11.04.2021 21:21
Wie der Vatikan sein Personal auswählt

Die neue “Nummer zwei” im vatikanischen Wirtschaftssekretariat ist ein Jugendfreund seines zukünftigen Chefs. Handelt es sich da um Klüngelei? Darf das überhaupt sein? 
Ein Schlaglicht auf die Besetzungspolitik im Vatikan.

Wer will heutzutage im Vatikan arbeiten? Die Frage kann, mit ungläubigem Unterton, schon mal aufkommen, betrachtet man das Image der katholischen Kirche im bekannt kritischen deutschen Sprachraum. 
Bloß: der deutsche Sprachraum ist mal wieder eher atypisch. Im Vatikan wollen erheblich mehr Menschen beruflich andocken, als Posten vorhanden sind. So stellt sich weniger die Frage, wer im Vatikan arbeiten will, als vielmehr, wer im Vatikan arbeiten darf. Was braucht es, um hier erfolgreich anzuheuern? Wer schlägt vor, und wer entscheidet?

Besonders klare Kante zeigen die Zugangsbedingungen bei der Schweizergarde. Die Soldaten des Papstes müssen Schweizer sein. Sie müssen Männer sein. Sie müssen mindestens 1,74 groß sein, ledig und katholisch. Das letzte Kriterium, und nur das letzte, gilt für alle Angestellten des Papstes bis hin zum Pförtner: Taufe und Firmung sind Pflicht, zu den Bewerbungsunterlagen gehört auch das Empfehlungsschreiben eines Priesters (besser noch Bischofs, obschon das nicht per se die Chancen erhöht). Das heißt, alle festen und mit Dauervertrag ausgestatteten Papst-Angestellten sind katholisch. Ich erinnere mich an das Staunen einer deutschen Journalistin, die mich im Zug einer Recherche-Hilfe bat, ihr eine muslimische Reinigungskraft im Vatikan zu benennen, die sie über ihr interreligiöses Arbeitsverhältnis befragen wollte. Ich hätte der Kollegin gern geholfen, noch lieber die Frau selber interviewt – allein, es gibt sie nicht. Im Vatikan angestellte Reinigungskräfte sind katholisch. Und die Posten sind begehrt, höre ich.

Vatikanischen Priester-Headhunting als Standard 

Sinnvoll ist an dieser Stelle, zwischen Vatikanstaat und Heiligem Stuhl zu unterscheiden. Der Vatikanstaat ist das Gebilde lokalen Charakters (Stichwort Supermarkt, Telefonzentrale und Reinigungskräfte), der Heilige Stuhl hingegen die Zentrale der Weltkirche, weshalb er uns interessiert, denn Drama und Dynamik der katholischen Kirche involvieren den Heiligen Stuhl. Von den knapp 5.000 Papst-Angestellten arbeiten fast 2.000 beim Vatikanstaat und der Rest beim Heiligen Stuhl. Noch eine zweite Unterteilung nehmen wir vor: Priester und Ordensleute einerseits, Laien (Männer wie Frauen) andererseits. 
Beide Kategorien sind in beiden Einheiten vertreten, und in beiden Einheiten stellen Laien die Mehrheit. Nach oben zu erhöht sich die Priesterdichte markant. Dass aber die Topjobs heutzutage nicht mehr durchgängig Priestern vorbehalten sind, ist eine Erscheinung der jüngsten Vergangenheit. Als "Nummer drei" - Untersekretäre - von Behörden der römischen Kurie sind heute in vier Fällen sogar Frauen vertreten. Und in einem Fall ist die "Nummer eins" ein Laie, Paolo Ruffini als Präfekt der vatikanischen Medienbehörde. Er ist die sprichwörtliche Ausnahme, die die Regel bestätigt: Das Spitzenmanagement der römischen Kurie ist priesterlich.

Was passiert, wenn in einem Kurienbüro (also beim Heiligen Stuhl) eine Stelle frei wird? Sucht der Präfekt oder Präsident einen Priester für den Job, dann fragt er andere Priester, die er schätzt, ob sie jemanden wüssten. Das ist bis heute das Standardverfahren im vatikanischen Priester-Headhunting. Head-offering kommt angeblich auch vor: In einigen Fällen bringen Geistliche sich bei Kurienchefs selbst ins Spiel. Orden sind wegen ihres Netzwerkcharakters ein gern angezapfter Pool. So sah man unter Papst Benedikt XVI. auffallend viele Salesianerpatres im Vatikan; Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, Salesianer, kannte nun mal besonders viele taugliche Mitbrüder. Falsch wäre aber die Vorstellung, es sei egal, wer auf einem Kurienstuhl sitzt, Hauptsache Priester. Dazu ist die Kurie zu klein und jede Planstelle zu wichtig. Es zählt Kompetenz, es zählt die Herkunft, denn Internationalität ist kein Plus, sondern ein Muss in der Zentrale der Weltkirche, es zählt, das ist kein Geheimnis, auch die genaue Verortung im katholischen Spektrum je nach Vorstellung des Oberen. Und es zählt nach wie vor Italienisch, das Ortsidiom der Kurie.

Sucht der Chef keinen Priester, sondern einen Laien, ist der Weg anders. Um Nepotismus einen Riegel vorzuschieben, hat damals Papst Benedikt XVI. eine Stelle im Staatssekretariat eingerichtet, die CIVA (Commissione indipendente di valutazione per le assunzioni di personale laico presso la Sede Apostolica, Unabhängige Bewertungskommission für die Neueinstellung von Laienpersonal beim Apostolischen Stuhl). Sie sammelt eingehende Bewerbungen von Frauen und Männern, die gerne im Vatikan arbeiten würden, es sind Dutzende pro Monat, erstellt entsprechende Profile und schickt anfragenden Präfekten eine Dreierliste möglicher Kandidaten. Manchmal wird die CIVA selbst tätig und sucht auf eigenen Kanälen nach Leuten, die passgenau die Lücke füllen können. Über die Besetzung entscheidet am Ende der Präfekt und nicht die Anti-Nepotismus-Einheit. Hat man schon vorab ein Auge auf eine patente Kraft im Laienstand geworfen, geht der Lebenslauf trotzdem über den Tisch der CIVA, wobei er dann eben mit kurialem Beistand so gekämmt wird, dass er sitzt.


Papst Franziskus wünscht sich bekanntlich mehr Laien in hohen Kurienstellen. Leider ist das tricky. Wie findet man in den Weiten der Weltkirche geeignete Leute, die nicht nur kompetent, erfahren und satisfaktionsfähig auf Italienisch sind, sondern auch dazu bereit, mit Familie nach Rom zu ziehen und nebenbei für wenig Geld viel zu arbeiten? Priester und Ordensleute sind verfügbar und anhangslos, ein Zimmerchen in kirchlichen Häusern lässt sich für sie immer finden. Laien stellen höhere Ansprüche, weil sie für Wohl und Wehe ihrer Angehörigen verantwortlich sind. Mitziehende Ehepartner bräuchten eigentlich einen Job, mit bloß einem Gehalt kann es in Rom für Familien knapp werden. Kurz, hochqualifizierte Laien müssen Passion und manchmal auch Erspartes mitbringen, um im Vatikan zu arbeiten, sonst wird das nichts.

Öffentliche Stellenausschreibungen nicht denkbar

Fachleute gegen Ende ihrer weltlichen Laufbahn anzuvisieren und für den Vatikan abzuwerben, ist da ein guter Plan. Geglückt ist das im Fall des neuen Generalsekretärs des päpstlichen Wirtschaftssekretariats. Der spanische Ökonom Maximino Caballero Ledo, 61, ließ wissen, er werde mit Ehefrau nach Rom übersiedeln, die Kinder seien schon außer Haus. Eine einfache Entscheidung sei es trotzdem nicht gewesen. Und weil Medienleute es ohnehin herausgefunden hätten, sprach Caballero auch gleich gezielt bei Vatican News über die Sandkastenfreundschaft mit seinem zukünftigen Chef, dem Jesuiten Juan Antonio Guerrero Alves. Die beiden sind gleich alt und praktisch zusammen aufgewachsen, jetzt finden sie, der eine aus dem Orden, der andere aus Amerika kommend, im Vatikan wieder zusammen. Nepotismus? Ja schon. Aber abgesehen vom 1A-Curriculum beruhigt es auch zu wissen, dass hier zwei päpstliche Neo-Führungskräfte in einem so sensiblen Bereich wie Geld gut miteinander können, hoffentlich bleibt das so.

An öffentliche Stellenausschreibungen mag man rund um Sankt Peter weiterhin nicht denken – da würden sie dem Vatikan die Bude einrennen. Der Weisheit letzter Schluss sind solche Top-Besetzungen via persönlicher Bekanntschaft aber nicht, weil das Modell leicht ins Unschöne kippen könnte. Das ließe sich nur dann sicher vermeiden, wenn im Gegenzug zum Diensteid eine Garantie auf persönliche Heiligkeit offeriert würde. Soweit sind wir noch nicht. Aber wir arbeiten dran.

Von Gudrun Sailer 

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Thema: Franziskus und die Frauen
 
hansfeuerstein 11.04.2021 21:25
Stets interessant
 
Klavierspielerin2 12.04.2021 09:45
Franziskus und die Frauen

Ein Viertel aller Papst-Angestellten beim Heiligen Stuhl sind heute Frauen. Heimlich, still und leise hat Franziskus ihre Zahl erhöht – und das jetzt erstmals thematisiert.

Aufs Große betrachtet, ist es eine Randnotiz. Wie viele Frauen für den Papst in Rom arbeiten, was sie da tun, ob sie gerne bei Sankt Peter andocken oder nach ein paar Jahren dann doch lieber weitersegeln, wie sich ihr Anteil am Ganzen der päpstlichen Belegschaft über die Jahre entwickelt: All das interessiert die weite Welt heutzutage nicht drängend, und Sie finden mich, eine Frau im Vatikan, in diesem Punkt komplett einsichtig. Und doch.

Bekenntnis lässt sich in Zahlen messen 

Und doch schadet ein wenig Neugier auf den weiblichen Vatikan nicht, wenn wir darin übereinstimmen, dass die Frauenfrage die katholische Kirche in ihre Zukunft begleiten wird. Die Sache ist vielschichtig, wir greifen uns hier eine eng umrissene, aber symbolisch bedeutsame Stelle heraus. Es ist so: Im Vatikan, seinem eigenen Staat, kann der Papst nach Belieben schalten und walten. Wie ernst er es also meint mit seinem Bekenntnis zu geteilter Verantwortung in der Kirche zwischen Priestern und Laien, Männern und Frauen, müsste sich deshalb im Vatikan gewissermaßen nachzählen lassen.

Alle Papst-Angstellten sind je nach Tätigkeit und Verantwortungsgrad in Gehaltsstufen ("livelli"zwinkerndes Smiley erfasst. Öffentlich sind solche Zahlen natürlich nicht. Aber im Vatikan ist man nicht nur gut organisiert, sondern auch weniger zugeknöpft, als es den Anschein haben könnte, zumindest wenn man seine – hinreichend harmlose – Anfrage seriös begründet und auf den richtigen Kanälen vorträgt. Um es kurz zu machen, beim Heiligen Stuhl haben vor einem Jahr (das sind meine neuesten Zahlen) 649 Frauen gearbeitet, gut 24 Prozent aller Beschäftigten. Zehn Jahre zuvor, unter Papst Benedikt XVI. noch, waren es 385 gewesen, 17,6 Prozent. Die Zahl der weiblichen Papstangestellten beim Heiligen Stuhl hat also in einem Jahrzehnt um gut zwei Drittel zugelegt, vom Anteil her um gut ein Drittel. Fast jede(r) vierte Beschäftigte am Heiligen Stuhl ist heute eine Frau. Das ist nicht nichts.

Papst Franziskus hat einige wenige Frauen in Positionen von herausgehobener Sichtbarkeit befördert. Vier Untersekretärinnen (etwas wie Staatsminister in weltlichen Regierungen) gibt es heute am Heiligen Stuhl, die einflussreichste kam im Januar 2020 am Staatssekretariat dazu, Franziskus hat diese Stelle neu geschaffen. Wenn wir nicht auf die Spitze, sondern auf die Mitte schauen, stellen wir fest, dass mindestens die Hälfte der weiblichen Kräfte an der Kurie Akademikerinnen sind. Frauen wirken in mittleren bis gehobenen Positionen als Fachreferentinnen, Archivarinnen, Abteilungsleiterinnen, Informatikerinnen oder Journalistinnen, Seite an Seite mit gleich qualifizierten und gleich entlohnten Männern, von denen einige Priester sind. Gewiss, die Aufteilung folgt oft genug dem klassischem Schema. Beispiel Vatikanbibliothek: Präfekt und Vizepräfekt sind ein Priester und ein männlicher Laie, doch sämtliche Abteilungsleiter sind neuerdings Frauen, hochqualifizierte Fachkräfte. Eine solche Konstellation macht außerhalb des Vatikans nicht von sich reden. Im Vatikan selbst mehren sich zur gleichen Zeit die Beispiele einer "Verweiblichung" der vatikanischen Führungsebene vom unteren Rand her wie selbstverständlich.

2014 habe ich begonnen, mir die nicht so ins Auge fallenden Ernennungen von Frauen im Vatikan zu notieren. Ich staune jedesmal wieder, wenn ich diese Extra-Liste durchgehe. Zum einen darüber, dass wirklich das dritte Jahrtausend anbrechen musste, um die ersten Frauen als Konsultorinnen an der Glaubenskongregation zu sehen (2018). Zum anderen darüber, wie umsichtig Franziskus vorgeht, undercover fast. Einen Schwung Kardinalpräfekten in Frührente schicken und sie mit geistlich begabten Kurienmanagerinnen ersetzen? Nicht sein Ding. Er weiß, dass Brüche der Kirche nicht guttun. Aber wo Franziskus schon keine Frauen an der Spitze einer Behörde einsetzt, beruft er welche als Mitglieder. Das ist vom Grundgesetz der Kurie ebenso wenig gedeckt, liegt aber unter der Wahrnehmungsschwelle. So kam bereits 2014 eine Ordensoberin als Mitglied an die Missionskongregation, und 2019 berief der Papst sieben Ordensoberinnen auf einmal zu Mitgliedern der Ordenskongregation. In dieser Funktion sind sonst die Kardinäle und Bischöfe der Weltkirche vertreten. Konsultorinnen bat Franziskus geradezu en masse in den Vatikan, ich nenne hier nur die Premieren: vier Beraterinnen für das Generalsekretariat der Bischofssynode, eine für den Staat der Vatikanstadt und sechs auf einen Schlag für den vatikanischen Wirtschaftsrat, darunter mit Marija Kolak und Charlotte Kreuter-Kirchhof zwei Deutsche. Der Leiter des Wirtschaftsrates, Kardinal Reinhard Marx, macht schon lange keinen Hehl daraus, dass es zum Wohl der Kirche eine "kritische Masse" an Frauen im Vatikan braucht, damit die klerikale Kruste aufbricht. Der Papst steht da auf seiner Seite.

Frauen sollen die institutionelle Kultur prägen

Zum ersten Mal hat Franziskus jetzt darüber gesprochen, warum er Frauen im Vatikan fördert, aber lieber schön sachte. Er will auf diesem Weg, so schreibt er es in seinem neuen Buch "Wage zu träumen!", Einfluss darauf nehmen, wie die Mitte der Weltkirche tickt. "Das ist etwas, was mich auch hier in Rom beschäftigt: wie die Präsenz und Sensibilität von Frauen besser in die Entscheidungsprozesse des Vatikans integriert werden können. Die Herausforderung für mich hat darin bestanden, Räume zu schaffen, in denen Frauen auf eine Weise Leitung übernehmen können, die es ihnen erlaubt, die Kultur zu prägen, und die sicherstellt, dass sie geschätzt, respektiert und anerkannt werden." Aus Sicht des Papstes ist es ein Irrtum zu glauben, mit der Ernennung kompetenter Frauen in Machtpositionen allein wäre schon alles in Butter. Denn daraus folgt noch lange nicht, "dass eine weibliche Führungsfigur die Kultur einer Institution ändert".

Im Übrigen stellt Franziskus in dem Buch klar, "dass die erweiterte Rolle von Frauen in der Kirchenleitung nicht vom Vatikan abhängt und auch nicht auf bestimmte Rollen beschränkt ist". Wer so denkt, sagt der Papst sinngemäß, der will nur die Priester sehen, den Beitrag der Frauen aber übersehen. In vielen Diözesen wirkten heute schon mehr Frauen als Männer in der Leitung. "In Amazonien leiten Frauen – Laien wie Ordensfrauen – ganze Kirchengemeinden. Zu sagen, dass sie nicht wirklich Leitung seien, weil sie keine Priester seien, ist Klerikalismus und respektlos."

Papst Franziskus, Dezember 2020.

Von G. Sailer 


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Thema: Der Petersplatz: Ins Ewige gerundet
 
Engelslhaar 12.04.2021 10:38
Das klingt so interessant , also, da würde ich mich glatt bewerben, um im Vatikan zu arbeiten...
 
Engelslhaar 12.04.2021 10:52
Also, wenn ich jünger wäre, würde ich das machen...
Ich bin ja auch erst seit einigen Jahren katholisch, ich glaube, ich habe was verpasst!
Danke für diese sehr interessanten Berichte, mir sind dadurch Zusammenhänge klar geworden.
 
Klavierspielerin2 12.04.2021 11:05
Freut mich, dass die ' römischen Notizen' ebenfalls auf Interesse stoßen.
 
Engelslhaar 12.04.2021 11:19
Ja, ich bin auf die Fortsetzung gespannt!!
 
Klavierspielerin2 12.04.2021 11:43
Zum Thema " Rom" kann ich z.B. Franca Magnani, eine italienische Journalistin, die erste Auslandsjournalistin, die in den 60ern fürs Deutsche Fernsehen arbeitete, empfehlen. Sie schrieb einige Bücher, u.A. 'Mein Italien', das einem die Menschen und deren Denke näher bringt.
 
Klavierspielerin2 12.04.2021 14:03
Der Petersplatz: Ins Ewige gerundet

Während des lockdown 2020:
Das Gras wuchs schon in den Fugen seiner Pflastersteine, und Möwen übersäten ihn mit Kot, den keine Putzmaschine morgens wegschrubbte. Wozu auch? Die täglich dichter gesetzten Dreckpatzer sahen nur ein paar Polizisten, die beim Obelisken in der Mitte des Platzes darüber wachten, dass niemand sonst den Fuß auf dieses Pflaster setzt. Den Petersplatz queren sonst Zehntausende pro Tag. 68 Tage lang blieb er leer. Das widerspricht seiner Bestimmung wie auch seiner Architektur. Ein Platz, der offener wäre als die Piazza San Pietro im Vatikan, lässt sich kaum denken.
Schauen wir uns das mal aus der Vogelperspektive an. Der Petersplatz besteht streng genommen aus zwei Plätzen, einem ovalen und einem eckigen, wobei der eckige den ovalen an die Basilika anschließt. Wenn wir vom "Petersplatz" sprechen, meinen wir aber meist den ovalen Platz allein, während uns der eckige durchrutscht. Warum? Weil das bestimmende Element des ganzen Ensembles die Säulengänge sind, die den ovalen Platz auf zwei Seiten in großer, feierlicher Geste umfassen. "Kolonnaden" heißen diese Arme, und nur ein einziges Bauteil in Sankt Peter wirkt noch markanter als sie, noch charakteristischer, noch unverkennbarer, auch weil es in die Weite strahlt: die Kuppel. Aber wenn ich "auf dem Petersplatz" stehe, dann umarmen mich diese Kolonnaden. Und die sind das Gegenteil einer Mauer.

Begrenzt aber nicht verschlossen

Andere Plätze mögen von Wänden definiert sein, von umstehenden, harmonisch gegliederten Palästen und Monumenten. Nicht so der Petersplatz. Der führt zwar auch eindeutig auf eine Fassade zu, die des Petersdoms, Grabeskirche des ersten Papstes. Doch Norden, Osten und Süden sind offen. 
Die Säulen stehen massiv und sie begrenzen den Platz, das ja, aber zugleich halten sie diese Grenze zur Außenwelt durchlässig. Jeder kann jederzeit zwischen den Säulen hindurch auf den Platz gelangen. Zumindest ist das vom Baulichen und Ideellen her so gedacht, weshalb die Holzabsperrungen, die den Zutritt seit den 1980er Jahren fast rundum verwehren, zwar der Sicherheit dienen, aber der Architektur widersprechen. Der architektonische Auftrag der Kolonnaden ist es, den Petersplatz nicht abzuschotten, sondern zu betonen. Die Säulen sind etwas wie steingewordene Ausrufezeichen. Sie gestalten Sankt Peter zum heiligen Bezirk.

Das unterstreichen die 140 Heiligen, die als Statuen die Kolonnaden bekrönen. Man tritt auf den weiten Platz und findet sich frohgemut umzingelt von diesen Vorbildern im Glauben, manche vergessen, andere verehrt bis heute, Franz von Assisi, Benedikt von Nursia, Katharina von Siena, Teresa von Avila. Sie begrüßen Pilgernde, Neugierige, Enttäuschte und Skeptische, stimmen auf eine Begegnung ein, lenken unseren Blick nach oben. Ein heiliges Empfangskomitee und nebenbei ein katholisches Statement über das, was Vorbilder im Glauben sein sollen. Sie stehen umgeben vom Himmel und begleiten den Weg. Nochmal wird klar: Die Kolonnaden, durch die wir eingetreten sind, wirken als Filter, als Schleuse hin zur Heiligkeit. Und weil die Säulengänge für jeden durchlässig sind, heißt das: Jeder kann heilig werden. Egal was war. Kommt und seht.

Wie sagte es damals Gian Lorenzo Bernini, der geniale Schöpfer dieses Platzes? Er hatte eine genaue Idee von der Wirkung der Kolonnaden. Wie "offene, mütterliche Arme" sollten diese Säulengänge "die Katholiken aufnehmen, um sie im Glauben zu stärken, die Häretiker, um sie wieder mit der Kirche zu vereinen, und die Ungläubigen, um sie im wahren Glauben zu erleuchten". Ein starkes Programm, astrein gegenreformatorisch. Heute würden wir das entweder gar nicht oder viel netter sagen. Faszinierend bleibt aber, wie der Barock der Baukunst eine bekehrende Kraft zuschreibt.

Erst eine Reihe Säulen, dann zwei, dann drei, dann vier...

Zehn Jahre brauchte Bernini ab 1656, um die form- und trostlose Brache vor dem 1626 eingeweihten neuen Petersdom in den erhebenden Platz zu verwandeln, den wir kennen. Und kaum zu glauben, ausgerechnet die Kolonnaden waren anfangs in Schmalspur-Variante angelegt. Bernini dachte an eine einfache Reihe von Säulen, dann an eine doppelte. Vierfache Reihen genehmigte am Ende der Auftraggeber Alexander VII. persönlich, vorbei an seiner eigenen Bauhütte, deren Job es war, die Kosten vernünftig zu halten. 284 Säulen (rund) und 88 Pfeiler (eckig), alle aus Travertin, dem römischen Stein schlechthin: Das riss ein gewaltiges Loch in die päpstliche Kasse, was bei Bernini freilich nichts Neues war. Dafür rühmen wir seine Werke bis heute.



Bernini muss ein Perfektionist vor dem Herrn gewesen sein. Waren Sie schon einmal auf dem Petersplatz? Wenn ja, sind Sie dort wahrscheinlich auf einer der beiden schwarzen Granitplatten gestanden, die links und rechts vom Obelisken ins Pflaster eingelassen sind, und haben staunend ins Rund der Kolonnaden geguckt. Von hier aus verschwinden je drei Säulen hinter der einen in der vordersten Reihe, zu sehen ist eine einzige statt eine vierfache Säulenreihe. Diese Präzision auf den Millimeter kennzeichnet das ganze Ensemble, soweit Bernini es plante. Jede Säule ist anders - damit alle gleich aussehen. Zunächst erkennt, wer genau hinschaut, dass alle Säulen, nicht die Pfeiler, sich nach oben ein wenig verjüngen, und zwar nicht gerade, sondern mit einem kaum merklichen Schwung, sehr elegant. Aber einige Säulen sind länger als andere, sie gleichen Unebenheiten im Boden aus. Und je nach Standort verändern sich die Grundrisse der Füße, auf denen die Säulen ruhen, vom Quadrat zur Raute. In der innersten Reihe der Kolonnaden stehen schlanke Säulen, die dahinter werden von Reihe zu Reihe etwas dicker, gerade soviel, dass es nicht auffällt. Somit bleiben die Proportionen zwischen Stein und Freiraum unverändert. Perfektes Ebenmaß.

Berninis Werk bekam mit dem Zweiten Vatikanum seine theologische Dimension

Berninis Genie zeigt sich auch daran, wie er schwierige Gegebenheiten in Vorteile, in Aussagen, in Sinn verwandelte. Als Beispiel schlechthin mag gelten, wie er die Höhenunterschiede des Areals gestaltete. Rund um den (3.800 Jahre alten) Obelisken in der Mitte liegt der Petersplatz tiefer und steigt zu den umarmenden Kolonnaden hin zweieinhalb Meter an, wie die Innenseite einer riesigen Muschel. Das sorgt für einen Effekt, den theologisch erst das II. Vatikanische Konzil voll einlöste: Wenn wir zusammen mit vielen anderen auf dem Platz stehen, dann nehmen wir mehr von den anderen wahr. Wir begreifen uns selbst als Teil einer Gemeinschaft – der katholischen Universalkirche. Die Glieder eines Leibes, zusammen mit dem Bischof von Rom, umarmt von Säulen, die eingemeinden, ohne einzuengen.

Gut, dass die Tage der Leere vorüber sind. Der Petersdom steht wieder offen und mit ihm der Platz, der auf ihn hinführt. Seit Pfingsten hält der Papst das Mittagsgebet am Sonntag wieder mit physisch auf dem Platz versammelten Gläubigen. Messen und Generalaudienzen gehen noch nicht, sind aber in Vorbereitung. Der Petersplatz findet zu seiner Bestimmung zurück. Zehn Wochen war er zu? Am Ende nicht viel mehr als ein Möwenfleck auf dem Pflaster, bereits weggeschrubbt.

Von G. Sailer 

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Thema: Die "Kathedra Petri": Worauf sitzt der Papst?
 
Klavierspielerin2 12.04.2021 14:08
Petersplatz: 360°


https://youtu.be/8gaCBqegvAE
 
Engelslhaar 12.04.2021 16:12
Ich erinnere mich noch an Franca Magnani aus meiner Jugendzeit, die hat immer so anschaulich berichtet mit diesem netten italienischen Akzent
Vom Petersplatz gibt es , glaube ich, auch eine Webcam von Vaticannews
 
Klavierspielerin2 13.04.2021 11:23
Die "Kathedra Petri": Worauf sitzt der Papst?
Als Bischof von Rom hat der Papst nicht einen, sondern symbolisch sogar zwei Bischofsstühle. Den ersten benutzt er selten, den zweiten nie. Zum heutigen Fest Petri Stuhlfeier wirft unsere Kolumnistin Gudrun Sailer einen Blick auf Berninis höchst erstaunliche "Kathedra Petri" im Petersdom.

Dieser Bischofsstuhl ist unbesitzbar. Sehen Sie ihn an: Er ruht nicht auf dem Boden, banal wie jeder Kaiserthron, sondern schwebt einige Meter darüber, irdischen Begehrlichkeiten entzogen. Aus Bronze ist er und wiegt bestimmt ein paar Tonnen, doch mit leichter Hand heben vier Männerfiguren ihn hoch, und dort, von oben, bekommt er Licht, und was für eines: Das Bild des Heiligen Geistes, heller Blickfang schlechthin im Petersdom, be- und erleuchtet das erhabene päpstliche Sitzmöbel. Goldene Wolken quellen, Engel steigen auf und nieder, alles ist bewegt und fest zugleich, wie auf ein Sekündchen eingefroren in einer gewaltigen Dynamik aus Bronze, Gold und warmem Licht.

Fürwahr: Ein glänzendes Schau- und Sinn-Spiel zum Stuhl des Bischofs von Rom hat der große Barockbildhauer Gian Lorenzo Bernini hier inszeniert. Eine Allegorie der päpstlichen Autorität. Die ist heutzutage schwer vermittelbar, wie Papst Benedikt XVI. seinerzeit einräumte, aber deshalb nicht weniger wahr. Päpste tun, was sie tun, mit Autorität, und genau das will ihr Sitz, die "Kathedra Petri", allen Betrachtenden begreiflich machen.

Der eigentliche, "wahre" Bischofsstuhl des Papstes steht nicht im Petersdom, sondern in der Lateranbasilika, denn die ist seine Bischofskirche (und sollten Sie diese Basics kennen, würde ich an Ihrer Stelle den vorliegenden Absatz überspringen, weil er Ihnen nichts Neues bietet). "Kathedra" heißt der Sitz des Bischofs in seiner Kirche, wovon das Wort "Kathedrale" herrührt. Nur der Ortsbischof selbst darf auf seinem Sitz in der Kathedrale sitzen. Von hier aus leitet er die Liturgie, verkündet das Wort und nimmt Weihehandlungen vor. Deshalb bezeichnet die Kathedra das Lehramt des Bischofs, seine Hirtengewalt sowie die Einheit im Glauben, der er verpflichtet ist. Von alters her repräsentiert der Sitz den Bischof in seinem Amt, und das Sitzen – nicht das Stehen, Knien oder Vorbeiziehen – gilt als die Körperhaltung schlechthin des Bischofs in seinem Dienst. Wer sitzt, besitzt Macht.

Wie sieht er also aus, so ein Bischofsstuhl? Jede Zeit hat ihre Formen gefunden. Den ersten Bischof, Petrus, dürfen wir uns auf einem Holzschemel sitzend denken, wie er die bescheidene römische Gemeinde im Glauben unterwies. Mit dem Erstarken des Christentums wurden auch Bischofsstühle massiver, unverrückbarer, reicher, mit Gold und Elfenbein gestaltet, mit Baldachinen überspannt. Sie glichen sich Kaiserthronen an.

Der heutige Bischofsstuhl des Papstes im Lateran sieht ganz klassisch aus. Eine Replik nach dem Original aus dem Mittelalter, steht er leicht erhöht, zentral und sichtbar in der Apsis. Zum Rücken hin lehnt die Kathedra an der halbrunden Wand, wo zwei schlanke, gewundene Säulen sie rahmen. Säulen, Apsis und Thron: alles aus Marmor. Ein herrschaftliches Setting. Das Volk ist auf Abstand, wer spricht und wer zuhört, ist klar zugewiesen. Diesen Stuhl im Lateran nimmt ein frisch gewählter Papst mit einer eigenen Liturgie in Besitz, und immer wenn er in seiner Bischofskirche zu tun hat, ist dies sein Platz.

Berninis Kunstwerk gibt seinen Sinn erst nach und nach preis .

Nur weil es diese "echte" Kathedra im Lateran gibt, konnte Bernini im 17. Jahrhundert dem Petersdom eine derart entrückte, künstlerisch überhöhte Version des päpstlichen Bischofsstuhls verpassen. Das ist kein Sitzmöbel, das ist reine Botschaft. Am meisten daran fasziniert mich das Changieren zwischen Zeigen, Verbergen, Sehen und Nicht-Sehen-Können, das Bernini diesem Bildwerk eingearbeitet hat.

Zunächst, die Kathedra Petri ist eigentlich sofort beim Betreten der Peterskirche von ganz hinten sichtbar. Trotzdem kann man sie nicht erkennen. Auch dieser Bischofsstuhl ist in der Apsis, wie sich's gehört, er wird aber glatt überstrahlt vom lichten Heiligen Geist, dem oberen Teil der Kathedra-Komposition. Erst wer näher kommt, sieht, dass der Heilige Geist einen darunter schwebenden Stuhl erleuchtet. Jetzt erkennt man ihn da oben als Thron, aus schwerer dunkler Bronze mit Goldreliefs, eines zeigt Jesus, wie er Petrus aufträgt, seine Lämmer zu weiden. Papstkrone, zwei Schlüssel, alles da. Dennoch ein Kunstwerk, das seinen Sinn erst nach und nach preisgibt.

Wer sind sie, die vier bronzenen Männer, die den Sieben-Meter-Thron so mühelos nach oben heben? Die Evangelisten? Nein. Es sind die wichtigsten Kirchenväter des Westens und des Ostens: Augustinus, Ambrosius, Athanasius und Johannes Chrysostomos. Ihre entschlossenen Gesichtszüge verweisen künstlerisch auf die Laokoon-Gruppe (Priester und Söhne wehren sich gegen die sie erwürgende Schlange) und programmatisch auf die Gegenreformation. Mit barocker Siegesgewissheit ist hier der Kampf gegen die Häresie aus dem Norden und die Vormachtstellung Roms gegenüber dem Orient ausgesagt. Westen und Osten stehen unter der Autorität des Papstes, das Kirchenoberhaupt sitzt sicher auf dem erhobenen Thron, den Gott selbst erleuchtet. Leer ist der Thron, weil das Kunstwerk keinen bestimmten Papst meint, sondern die überzeitliche, von Gott verliehene absolute Autorität aller Päpste, wie die Gegenreformation sie sah und in Stein meißelte.

Ein Zweites bleibt Betrachtenden verborgen: Die Kathedra Petri im Petersdom ist, technisch gesprochen, ein Reliquienschrein. Berninis Bronze-Stuhl umschließt einen zweiten, viel älteren Stuhl. Generationen frommer Leute hielten ihn für den Sitz des Apostels Petrus, bis Untersuchungen ergaben: Der Thron im Thron kommt aus Franken, wo er im 9. Jahrhundert aus Holz und Elfenbeinplättchen gefertigt wurde. Wohl Karl der Kahle brachte das gute Stück, zerlegt in Einzelteile, nach Rom und schenkte es dem Papst zum Dank dafür, dass dieser ihn 875 zum Kaiser krönte. Im alten Petersdom überdauerte das Sitzmöbel Päpste, Kriege, Krisen und Umbauten. Da Zweifel nicht verstummen wollten, ob auf diesem Elfenbeinstuhl wirklich der Fischer aus Galiläa gesessen hatte, hielten Bernini und sein päpstlicher Auftraggeber es für geraten, das Objekt prüfenden Blicken zu entziehen, indem sie es in Bronze gefasst entschweben ließen.

Die Kathedra, "Symbol der Macht und der Verantwortung des Bischofs": Papst Benedikt XVI. hat mehrfach über die Verbindung zwischen Papstamt und Autorität reflektiert, namentlich bei seiner Inbesitznahme des Bistums Rom und auch einige Male zum Fest Kathedra Petri. Nur im Blick auf Christus, so sagte der deutsche Pontifex am 7. Mai 2005, ließe sich überhaupt verstehen, worin die Macht des Papstes liege: im Dienst. Jeder Träger des Petrusamtes müsse klar sehen, "dass er ein zerbrechlicher und schwacher Mensch ist, der ständiger Läuterung und Umkehr bedarf". Ebenso dürfe jeder Papst sich gewiss sein, "dass er vom Herrn die Kraft erhält, seine Brüder im Glauben zu stärken". Schon bei Benedikt zeigte sich, wie vielschichtig päpstliche Autorität im 21. Jahrhundert geworden ist und wie wenig triumphal sie daherkommt, auf geläuterte Weise selbstbewusst. Da hat jemand mit filigranen Worten Berninis wuchtig-abgehobene Kathedra auf den Boden eines zeitgenössischen Amtsverständnisses zurückgeholt. Und der Nachfolger Franziskus, der das Fest Petri Stuhlfeier in seinen Homilien bestenfalls streift, setzt gern noch eins drauf. Wie letztens, als er in seinem Schreiben "Querida Amazonia" auf das Ausüben päpstlicher Autorität gelassen verzichtete. Was ein Papst der Gegenreformation davon gehalten hätte, darf man sich in barocken Farben ausmalen.

Von G. Sailer
 
Klavierspielerin2 13.04.2021 12:51
Beninis ' Kathedra Petri' 

https://youtu.be/YmzkN4iqvuk
 
Klavierspielerin2 14.04.2021 09:13
Die Pietà: Gemeißelter Glaube

Michelangelos weltbekannte Pietà zeigt einen außerbiblischen, aber markanten Moment der Heilsgeschichte: Christus zwischen Tod und Auferstehung, geborgen in den Armen seiner Mutter. Dieser Artikel widmet sich der Karfreitags-Skulptur schlechthin.


Die Pietà steht ganz nahe am Eingang des Petersdoms, den in diesen Wochen der Pandemie faktisch nur in Rom Lebende oder im Vatikan Arbeitende ansteuern können. Hinein durchs Portal und gleich rechts, erste Seitenkapelle. Hier ruht, ein anderes Wort kann es dafür nicht geben, hier ruht die Skulptur aus poliertem weißen Marmor, erhöht und hinter Panzerglas. Die Muttergottes in ganz nach innen gewandter Haltung sitzt auf einem Felsen, sie hält, betrachtet und zeigt den Leichnam ihres Sohnes Jesus, der quer auf ihrem Schoß hingebettet ist. "Pietà" heißt "Erbarmen".

Die Skulptur ist 174 Zentimeter hoch, 195 Zentimeter breit, aber nur 69 Zentimeter tief, ein Bildwerk, das für die Ansicht von vorne gemacht ist, fast eine Art freistehendes Relief. Und noch etwas, das man erst sieht, wenn man es weiß: Jesus ist lebensgroß, seine Mutter jedoch etwas größer. Erhöbe sie sich, würde sie die zwei Meter überragen, haben Fachleute errechnet. Allein wie Michelangelo hier mit Proportionen und Harmonien hantierte, zeigt eine gestalterische Intelligenz, die ihn fraglos als Genie auswies. Er vollendete die Plastik 1499 im Alter von 24 Jahren. Weil er so jung war und das Werk dermaßen schön, wie allem Irdischen enthoben, zweifelten manche an der Urheberschaft. So kam es, dass Michelangelo die Pietà als einziges seiner Werke signierte. Nicht irgendwo am Sockel und dezent, sondern auf dem Band, das schräg über den Oberkörper der Muttergottes läuft. Als Teil des Kunstwerks. Da ist auch nicht bloß ein Name eingemeißelt, sondern ein Satz, ein Statement: MICHAEL.A[N]GELVS BONAROTVS FLORENT[INVS] FACIEBAT, "das hat Michelangelo Buonarroti aus Florenz gemacht".

Bedauerlich ist, dass diese selbstbewusste Signatur wie alle anderen Details der Skulptur – Hände, Haare, Stoffe, Faltenwurf, Gesichter – sich seit bald 50 Jahren nur auf Abstand betrachten lassen. Die Pietà musste unnahbar gemacht werden. Denn 1972 am Pfingstsonntag hatte ein verwirrter Attentäter, der sich für Jesus hielt, mit einem Hammer auf sie eingedroschen. Maria verlor den linken Unterarm und die Nasenspitze. Die Restaurateure der Vatikanischen Museen puzzelten die etwa 50 Marmorteile und -splitter in zehn Monaten wieder zusammen, nur die Nase war perdu: Sie wurde aus Kunstharz rekonstruiert, was niemand sieht. Seit dem Zwischenfall steht die Pietà hinter Panzerglas, und wer ihr wirklich nahe kommen möchte, braucht sehr, sehr gute Beziehungen. Oder Fotos.

Maria auf Weltreise

Wobei die umfangreichste Bilderserie zur Pietà nicht im Vatikan entstand, sondern in New York. Dorthin hatte Papst Paul VI. in den 60ern die Plastik entliehen, schwer vorstellbar aus heutiger Sicht. Michelangelos Meisterwerk reiste mit dem Schiff nach Amerika und war einer der Höhepunkte der Weltausstellung 1964/65. Ein aus Wien gebürtiger amerikanischer Fotograf, ein Autodidakt namens Robert Hupka (1919-2001), der eigentlich nur zwei, drei Bilder für eine Schallplattenhülle im Auftrag der Expo schießen sollte, war so berauscht von der Pietà, dass er, wie er erzählte, zwei Monate lang nicht aufhören konnte, sie zu fotografieren: schwarzweiß und in Farbe, mit verschiedenen Kameras und Objektiven, in allen Details und aus allen Perspektiven, seitlich, von hinten, sogar von oben, mit Naturlicht oder Scheinwerfern. Nachts ließ Hupka sich mit der Plastik einschließen. An die 5.000 Bilder fertigte er für sich privat an. Jahre später, nach dem Attentat und der Panzerglas-Schranke, wurde ihm klar, dass er seinen Schatz teilen musste. Hupkas Pietà-Fotos aus den 60ern sind bis heute ab und zu in Ausstellungen zu sehen. Und sie offenbaren, was diese Plastik zu einem der größten Kunstwerke des Abendlandes macht.

Erzählen wir es von Anfang an. Rom, 1497. Wer dem Milchbart Michelangelo die Chance gab, sich als der aufgehende Stern am Firmament der religiösen Renaissancekunst zu etablieren, ist lückenlos erforscht. Als Auftraggeber trat der französische Gesandte beim Papst an den vielversprechenden Florentiner Bildhauer heran, der noch nicht lange in Rom war. Kardinal Jean Bilhères de Lagraulas wünschte für seine Grabkapelle einen würdigen Dekor und beauftragte Michelangelo mit einem Sujet, das in Italien weniger bekannt war, sich aber nördlich der Alpen zumal in den deutschen Ländern, wo der Kardinal zuvor stationiert war, großer Beliebtheit erfreute: Eine Pietà sollte es sein, das heißt eine Figurengruppe aus der Schmerzensmutter und dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Christus, im Deutschen als Vesperbild bekannt.

Ein konzentriertes, gereinigtes Bild

Michelangelo hatte solche Darstellungen gesehen. Sein Genie äußerte sich darin, dass er die alte Bildtradition neu auslegte, auf renaissancehafte Weise, und damit zu einer überzeitlich-christlichen Aussage fand. Das klassische Vesperbild ist ein Bild des Jammers, es zeigt eine verzweifelte, weinende Mutter mit dem gefolterten Leichnam des Sohnes inmitten weiterer Trauernder. Bei Michelangelo dagegen tritt uns ein Substrat entgegen, ein konzentriertes und gereinigtes Bild: eine mädchenhaft junge und überirdisch schöne Maria, die keine Tränen mehr zu vergießen braucht, weil sie alles in ihrem Herzen bewahrt und darüber nachgedacht hat, und ein Jesus, der die Vollendung des Auferstandenen vorwegnimmt. Nur angedeutet sind die Wundmale der Kreuzigung an seinen Händen und Füßen, sein Leib ist makellos. Der polierte Marmor der Skulptur reflektiert das Licht und deutet vollkommene Geschlossenheit an. Das Vesperbild ist Karfreitag, Erde, Tränen und Blut. Die Pietà hingegen übersteigt alles Irdische. Sie vereint Tod und ewiges Leben, sie ist bereits Ostern.

Zugleich sieht, wer sich in die Pietà versenkt, ins Geheimnis der Auferstehung eine innige Szene kompletter, zeitfreier Stille hineingewoben, eine Intimität, die sich in Detailaufnahmen wie jenen von Robert Hupka besser begreifen lässt als bei Frontalansicht auf drei Metern Abstand. Nach den Jahren seines öffentlichen Wirkens und nach seinem Sterben am Kreuz nimmt die Muttergottes den toten Sohn zurück auf ihren Schoß, so wie damals als Kleinkind. Deshalb ist die Pietà Gegenstück und Vollendung aller lieblichen Gemälde von Madonna und Kind. Ähnlich wie in solchen Genredarstellungen lenkt auch bei Michelangelo Maria den Blick der Betrachtenden auf Jesus. Ihre rechte Hand hält den Leichnam, doch ihre Linke gibt den Sohn frei und weist nach oben zum Vater in einer Geste, die besagt: Es ist vollbracht. Nach Deinem Wort. Mehr noch als das Erbarmen Marias zeigt die Pietà in Michelangelos Werk den Glauben Marias an die Allmacht Gottes, einen Glauben, der dem Karfreitag standhält.

Von G. Sailer
 
Klavierspielerin2 14.04.2021 09:45
Michelangelo, Pieta 


https://youtu.be/JbWGusfynCw
 
Klavierspielerin2 10.01.2022 16:57
Kolumne: Römische Notizen

Wie der Papst auf dem diplomatischen Parkett tanzt

Die Päpste unterhalten ein gut entfaltetes diplomatisches Wesen. Damit stehen sie als Religionsführer einzigartig da. An diesem Donnerstag lädt Franziskus die am Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten wieder zum Neujahrsempfang. Unsere Kolumnistin Gudrun Sailer schildert, wie es auf dem diplomatischen Parkett im Vatikan zugeht.


Von Jan. 2020

Unter den wachsamen Augen bewährter Vatikan-Gendarmen wird am Donnerstagmorgen eine Kolonne dunkler Limousinen mit CD-Kennzeichen den Diensteingang zum Vatikan, die Porta del Perugino, passieren und das gesammelte hier akkreditierte Diplomatische Corps beim Papst abliefern. Mit 183 Staaten der Welt unterhält der Heilige Stuhl volle diplomatische Beziehungen. Es fehlen zwei "Big Player", China und Saudi-Arabien, so weit sind wir noch nicht, aber sonst ist die Welt praktisch geschlossen vertreten im kleinsten Staat der Welt.

Wer zum ersten Mal dabei ist von den Damen und Herren im diplomatischen Dienst, wird das Setting mit gesteigerter Aufmerksamkeit verfolgen. Gut, Neujahrsempfänge dieser Art gibt es in den meisten anderen Staaten auch, aber der Heilige Stuhl ist eben kein Staat, und das Mützchen hier hat auch kein Präsident auf, sondern ein Kirchenoberhaupt. Das sorgt für ein diverses Klima. Das Protokoll beim Papst sei streng, heißt es. Er habe sich für den Posten im Vatikan den ersten Frack seines Lebens kaufen müssen, vermerkte jüngst der Schweizer Botschafter beim Heiligen Stuhl, Denis Knobel. Und nicht alle Diplomatinnen seien von Herzen glücklich über das Gebot, im schwarzen Schleier, der "Mantilla", zu erscheinen. Manche vergessen das Spitzenteil denn auch prompt zu Hause, wohl wissend, dass die Spalier stehende Schweizergarde sie auch ohne durchlässt.

Uniformierung einerseits, landestypische Trachten andererseits

Wozu denn einerseits die Uniformierung, wenn andererseits landestypische Trachten gestattet und gern gesehen sind? Der Botschafter des Iran trägt Turban, Afrikanerinnen schreiten im prachtvollen, langen Gewand, Indonesier erscheinen in farbiger Seidentunika. Was zieh ich bloß an? Nur der Gastgeber braucht sich da keinen Kopf zu machen. Er kommt, wie man ihn kennt, in Weiß, und basta. Festkleidung trägt er im Gottesdienst, zu Ehren des Höchsten, aber nicht im Königssaal seines Palastes vor Repräsentanten irdischer Staaten.


Da sitzen sie nun gestaffelt nach Dienstalter, an die 380 Diplomaten und Diplomatinnen aus allen Erdteilen. Was der Papst ihnen sagt beim "Austausch der Neujahrswünsche", so heißt dieser Standardtermin, ist sorgfältig dosiert. Eine Tour d'horizon durch die Baustellen der Weltpolitik aus dem Blickwinkel päpstlicher Diplomatie und christlicher Friedensethik. Länder, Krisen, Entwicklungen – aber keine Rüffel und keine Randbemerkungen. Die Papstrede hat anonym der Apparat im Staatssekretariat geschrieben, und Franziskus hält sich ans Manuskript, was umso nachdrücklicher festgehalten sei, als wir hier unlängst Gegenteiliges anzuzeigen hatten. Bei den Jahresansprachen vor dem Diplomatischen Corps ändert Franziskus üblicherweise kein Komma. Johannes Paul II. hielt das anders, hört man, und das habe im Staatssekretariat jeden Januar aufs Neue für angehaltenen Atem gesorgt.

Franziskus ist ein politischer Papst, ebenso wie sein Vorgänger aus Polen einer war. Und selbst wenn es einigen nicht passt, lässt sich der Heilige Stuhl überhaupt als Gebilde beschreiben, das ausdrücklich auch politisch handeln will. Denn selig sind die Friedensstifter. Wozu leisten sich denn die Päpste seit dem 5. Jahrhundert ein diplomatisches Wesen, wenn nicht in der Absicht, Konflikte mit Gespräch statt mit Gewalt zu lösen, so wie dieser Tage die Krise um den Iran? Wozu entsenden sie denn ihre gut 100 Nuntien, Botschafter im Rang von Erzbischöfen, in auch rundweg unkomfortable Dienstorte? Und empfangen Diplomaten aus der ganzen Welt, denen sich ein päpstlicher Wink auch mal auf dem kleinen Dienstweg stecken lässt?

Der Vatikanposten als Belohnung kurz vor der Rente

Seinerseits ist der Heilige Stuhl als Dienstort bei Diplomaten und Diplomatinnen aller Länder außerordentlich beliebt. So entsenden einige Staaten verdiente Leute für die letzten Jahre ihrer Laufbahn nach Rom zum Papst. Andere – wie die USA – belohnen mit dem Vatikanposten besonders ergebene politische Mitstreiter, sogar ohne diplomatische Erfahrung. Der Vatikan als Zuckerstück, als Dessert-Destination für den gehobenen auswärtigen Dienst – warum eigentlich?

Im Hintergrundgespräch fassen Botschafter es so zusammen: Erstens, man hat im Vatikan nicht Woche für Woche irgendeine brennende politische Lunte auszutreten. Zweitens geht es so multikulturell und thematisch vielfältig zu wie sonst nur bei internationalen Organisationen, aber ohne das Papierene und dafür, drittens, mit der Draufgabe des ehrwürdigen, religiös aufgeladenen Ambientes; jedes vatikanische Traditiönchen steckt mit jahrhundertealten Wurzeln in der Papstgeschichte und verströmt seinen Reiz.

Überhaupt gehört es ja zum Habitus des Diplomaten, sich kulturell einzuschwingen. Anwesenheit bei Papstmessen? Die verlangt der Vatikan rund zehnmal im Jahr nicht nur von den katholischen, sondern von allen Angehörigen des Diplomatischen Corps – und sie kommen brav (ohne zu kommunizieren). Ein formelles Dinner an der Botschaft? Auch die agnostische Botschafterin wird den anwesenden Monsignore selbstverständlich um ein Tischgebet ersuchen. Manieren und die gelassene Annahme fremder Gepflogenheiten liegen in der DNA des Berufs, weil sie eine vertrauensvolle Gesprächsbasis und damit den Rahmen wirksamer Diplomatie schlechthin schaffen. Das ist auch der tiefere Sinn des Protokolls. Und zur Not kommt Frau dann eben doch mit Mantilla, selbst wenn die Haarnadeln drücken und das Ganze nach Velázquez und spanischem Hofzeremoniell aussieht. Was tut man nicht alles für den Weltfrieden.

30 Sekunden mit dem Papst

Hauptgesprächspartner im Vatikan sind für die Diplomaten die Männer im Staatssekretariat. Mit ihnen hat man mehrmals im Monat in der einen oder anderen Sache zu tun, bei der Vorbereitung von Besuchen, beim Abstimmen von Allianzen oder beim Ausräumen sich abzeichnender Verstimmungen. Was Karrierediplomaten anfangs überrascht, sind die Dimensionen des vatikanischen Apparats: Er ist winzig. "Unser Gegenüber im Staatssekretariat sind 40 Leute, und die decken die ganze Welt ab", schildert eine unserer Quellen fast verblüfft. In Washington finden sich an der entsprechenden Stelle rund 11.000 Staatsbedienstete, in Berlin sind es gut 3.000. Lob finden auswärtige Diplomaten für das Urteilsvermögen und die Kultur ihrer Gesprächspartner im Vatikan, noch etwas Luft nach oben hätten die Monsignori in Sachen Vertrauen, "sie könnten manchmal etwas offener sein", heißt es.

Manchmal etwas offener wäre vielleicht der Papst. Den allerdings bekommen Diplomaten beim Heiligen Stuhl nicht so oft zu Gesicht. Deshalb schildern erfahrene Botschafter den Neujahrsempfang als Einmal-im-Jahr-Gelegenheit. Am Ende begrüßt der Papst alle Anwesenden einzeln. "Da haben Sie 30 Sekunden, um ihm etwas zu sagen. Aber die haben Sie. Das muss dann halt sitzen", bringt es ein Botschafter auf den Punkt. Das Kirchenoberhaupt zu sprechen, das sei wie Blitzschach. Der Neujahrsempfang im Vatikan – eine sportliche Disziplin. 

Von Gudrun Sailer
 
Klavierspielerin2 10.01.2022 17:01
Weltpolitischer Rundumschlag bei Empfang der Botschafter beim Heiligen Stuhl

Papst redet Diplomaten ins Gewissen – Kritik an Kultur des Ausgrenzens 

Vernünftige Meinungen würden zum Schweigen gebracht. Stattdessen sei man dabei, "ein Einheitsdenken zu entwickeln, das dazu zwingt, die Geschichte zu leugnen": Beim Neujahrsempfang der beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter sparte der Papst nicht mit Kritik.


Vatikanstadt - 10.01.2022


Papst Franziskus hat den Neujahrsempfang der beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter für einen weltpolitischen Rundumschlag genutzt. In seiner programmatischen Rede am Montag ging er auf Konfliktthemen wie die anhaltende Corona-Pandemie, den Klimawandel und die Migrationsfrage ein.

Das Oberhaupt der katholischen Kirche sparte nicht mit Kritik: Es sei besorgniserregend, dass angesichts drängender globaler Herausforderungen "eine sich ausweitende Aufsplitterung der Lösungen zu verzeichnen ist". Oft fehle schlicht der Wille zum Dialog, was bestehende Spannungen verstärke.

Besorgt äußerte sich Franziskus über zunehmende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung. Er sehe eine "Cancel Culture" (Kultur des Ausgrenzens), die in immer mehr öffentliche Bereiche vordringe. Internationalen Organisationen warf er in diesem Zusammenhang "eine Form der ideologischen Kolonisierung" vor.

Vernünftige Meinungen würden zum Schweigen gebracht

"Nicht selten hat sich der Schwerpunkt des Interesses auf Themen verlagert, die von ihrer Art her spalten", so der Papst. Im Namen des Schutzes einer Diversität werde der Sinn für jede Art von Identität ausgelöscht. Vernünftige Meinungen würden zum Schweigen gebracht. Stattdessen sei man dabei, "ein Einheitsdenken zu entwickeln, das dazu zwingt, die Geschichte zu leugnen, oder schlimmer noch, sie auf der Grundlage zeitgenössischer Kategorien umzuschreiben".

"Wir dürfen nie vergessen, dass es einige bleibende Werte gibt", mahnte der 85-Jährige. Es sei nicht immer leicht, sie zu erkennen. Er wolle insbesondere "an das Recht auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende" sowie an das Recht auf Religionsfreiheit erinnern.


Bild: © stock.adobe.com/myskin (Symbolbild)
Impfstoffe gegen Corona seien "keine magischen Heilungswerkzeuge", sagte Papst Franziskus. Doch sie stellten – zusätzlich zu den Therapien, die entwickelt werden müssten – "die vernünftigste Lösung zur Vorbeugung der Krankheit" dar.


Mit Blick auf die Pandemie beklagte Franziskus "starke ideologische Gegensätze", die ein gemeinsames Vorgehen verhinderten: "Jede ideologische Aussage durchtrennt die Bindung der menschlichen Vernunft an die objektive Realität der Dinge." Gerade im Kampf gegen das Coronavirus sei aber eine gewisse "Wirklichkeitspflege" nötig. Impfstoffe seien "keine magischen Heilungswerkzeuge". Doch sie stellten – zusätzlich zu den Therapien, die entwickelt werden müssten – "die vernünftigste Lösung zur Vorbeugung der Krankheit" dar. Bei alledem müssten die Bürger mit einbezogen werden, "so dass sie sich mitbeteiligt und mitverantwortlich fühlen können". Das funktioniere nur durch "transparente Kommunikation".

Der Papst sprach auch die angespannte Lage in Krisenländern wie Jemen ("eine menschliche Tragödie"zwinkerndes Smiley oder Syrien an ("keine klare Perspektive für den Wiederaufbau"zwinkerndes Smiley. Israelis und Palästinenser ermunterte er zu einer Wiederaufnahme direkter Gespräche im Friedensprozess. Ebenso erwähnte er die Spannungen in Libyen, den "internationalen Terrorismus" in der Sahelzone. Die Konfliktparteien im Sudan, Südsudan und Äthiopien forderte er zu einem "aufrichtigen Dialog" auf.

EU müsse im Umgang mit Migration dringend "inneren Zusammenhalt" finden

Europa gab Franziskus ebenfalls eine Botschaft mit auf den Weg. Die EU müsse im Umgang mit dem Thema Migration dringend einen "inneren Zusammenhalt" finden. Es brauche ein "kohärentes und umfassendes System zur Steuerung der Migrations- und Asylpolitik". Nur so könne die Verantwortung für die betroffenen Menschen gerecht geteilt werden. Es gelte, "Gleichgültigkeit zu überwinden und die Vorstellung zurückzuweisen, dass Migranten das Problem von anderen sind."

Deutschlands neuer Botschafter beim Vatikan, Bernhard Kotsch, reagierte positiv auf die Ausführungen des Papstes. Es gebe "große inhaltliche Parallelen" zu den außenpolitischen Zielen der Bundesregierung, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf Anfrage. Zwar räumte Kotsch "unterschiedliche Herangehensweisen" beim Erreichen mancher Zwischenziele ein. Das ändere aber nichts an der grundsätzlichen Übereinstimmung in wesentlichen Fragen. (KNA)
 
Engelslhaar 10.01.2022 18:32
Es gab eine Serie mit Hape Kerkeling, wo er kleinere Staaten besucht hat und darüber gab es einen Film.
Über den Vatikanstaat gab es einen kurzweiligen Film, Humor war dabei und auch etwas Schräges, aber insgesamt war der Beitrag wohlwollend
 
 
Klavierspielerin2 19.07.2022 07:59
Juli 2022

"L'OSSERVATORE DI STRADA" RÜCKT OBDACHLOSE IN DEN FOKUS

Vatikan gibt Straßenzeitung heraus – Papst: "Wunderschönes Werk"

VATIKANSTADT ‐ Der Vatikan hat eine eigene Straßenzeitung – mitgestaltet und verteilt von Bedürftigen. Das "wunderschöne Werk", wie Franziskus es bezeichnete, wurde am Mittwoch erstmals auf dem Petersplatz verteilt.


Das Titelbild ist so schmutzig wie das Leben auf Roms Straßen. Mehrere Decken liegen übereinander auf dem steinigen Boden; die Farbe der Graffiti an den Mauern um den Schlafplatz ist abgeblättert. Die Macher des "L'Osservatore di strada", der neuen Straßenzeitung des Vatikan, zeigen in ihrer Erstausgabe deutlich, worum es ihnen geht: authentisch die Geschichten derer zu erzählen, die fernab des "Dolce vita" von Italiens Hauptstadt leben.

Da ist beispielsweise Mimmo. Die erste Doppelseite ist dem 52-jährigen Obdachlosen gewidmet. Seit drei Jahren lebt er auf der Straße. Aus freien Stücken, um sich selbst wiederzuentdecken, wie er sagt. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Daniele Mencarelli erzählt er über das Leben auf Roms Straßen, über Angst und Freiheit. Darüber, wie Menschen ihm begegnen, wie er ihnen begegnet. Über kleine und große Gesten, die sein Leben ein bisschen besser machen.

Bedürftige treffen auf Persönlichkeiten aus der Kultur

Das ist das Konzept der Zeitung: Bedürftige treffen sich mit Persönlichkeiten aus der Kultur – persönlich und auf Augenhöhe. "Beide auf der gleichen Ebene, jeder hat die gleiche Würde, jeder hat den gleichen Respekt", erklärt der Koordinator des Blattes, Piero Di Domenicantonio. Gemeinsam erarbeiten sie dann einen Beitrag für den "L'Osservatore di strada", was so viel wie "Straßenbeobachter" heißt. So sei die Zeitung auch eine Möglichkeit, sich zu treffen, ins Gespräch zu kommen, so Di Domenicantonio.

Mimmos Geschichte ist die erste im Vatikanblatt. Jeden Monat soll eine weitere folgen. Aber es geht nicht nur um Obdachlosigkeit, sondern auch um das Thema Migration, um die Arbeit von Ehrenamtlichen. Zudem erhalten die Bedürftigen die Möglichkeit, sich selbst kreativ auszudrücken. Auf einer Doppelseite mit der Überschrift "Lieder aus der Peripherie" finden sich ihre Lieder, Gedichte und Zeichnungen: ein gemaltes Porträt von Jesus etwa, ein buntes Bild von ihm, umgeben von Kindern. Ein Gedicht erzählt von der Not, nicht schlafen zu können; ein anderes, vom Glück in Rom zu sein.


Diese "revolutionäre Zeitung" solle jenen eine Stimme geben, die normalerweise keine Stimme haben, erklärt der Direktor des "L'Osservatore Romano", Andrea Monda. Weiter solle sie keine Zeitung von und für Bedürftige, sondern vor allem eine mit Bedürftigen sein. Das gemeinsame Gestalten sei wichtig, ergänzt Koordinator Di Domenicantonio: "Sie brauchen sicher kein weiteres Ghetto, in das sie eingesperrt werden."

Der zwölfseitige "L'Osservatore di strada" ist eine Monatszeitschrift. An jedem ersten Sonntag soll sie nach dem päpstlichen Mittagsgebet auf dem Petersplatz ausgegeben werden. Zusätzlich erscheint sie als E-Paper auf der Internetseite des "L'Osservatore Romano". Ein Arbeitskreis ist für die Gestaltung verantwortlich. Unterstützt wird er von verschiedenen Hilfsorganisationen, etwa der Caritas und der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio.

Macher wollen "mit dem Ohr des Herzens hören"

Verteilt wurde das spendenfinanzierte und kostenlose Blatt erstmals nach der Messe zum Festtag von "Peter und Paul" an diesem Mittwoch. Die bei der Ausgabe gesammelten Spenden gehen an die Verteiler – selbst Bedürftige aus dem nahe gelegenen "Palazzo Migliori". Papst Franziskus hatte das ursprünglich als Luxushotel geplante Gebäude 2019 zu einer Obdachlosenunterkunft umbauen lassen.

Das Kirchenoberhaupt lobte die neue Zeitung am Mittwoch als "ein wunderschönes Werk, das von der Basis kommt, von den Armen, als Ausdruck derer, die an den Rand gedrängt sind". Die Macher selbst wollen den Aufforderungen des Papstes an die Medien folgen und "sich die Schuhsohlen ablaufen" sowie "mit dem Ohr des Herzens hören". Der Erfolg gab ihnen schon vor Erscheinen der Erstausgabe recht: Es gebe schon Anfragen zur Umsetzung einer Straßenzeitung aus anderen Städten Italiens.

Von S.Bartonitschek (KNA)
 
Klavierspielerin2 24.07.2022 19:41
Ergänzung zu " Franziskus und die Frauen", vom 12.04.2021


Vatikanstaat erhält erstmals Vize-Regierungschefin

AKTUALISIERT AM 04.11.2021 –


 VATIKANSTADT ‐ Die Führungsetage des Vatikan wird weiblicher und weiblicher: Nun hat Papst Franziskus eine Ordensfrau zur Generalsekretärin des vatikanischen Governatorats gemacht. Damit ist sie Vize-Regierungschefin des Staates Vatikanstadt.


Der Vatikanstaat bekommt eine Vize-Regierungschefin. Papst Franziskus ernannte am Donnerstag die italienische Sozialwissenschaftlerin und Ordensfrau Raffaella Petrini (52) zur Generalsekretärin des vatikanischen Governatorats. Petrini war bislang für die Missionskongregation tätig. Ihr Stellvertreter im Governatorat wird der bisherige Leiter des dortigen Rechtsbüros, Giuseppe Puglisi-Alibrandi (55).

Mit der Ernennung Petrinis setzt der Papst seine Linie fort, Frauen in Führungspositionen des Vatikan einzusetzen. Erst Ende Oktober hatte er die Deutsche Charlotte Kreuter-Kirchhof (51) als neue Vize-Koordinatorin des vatikanischen Wirtschaftsrats eingesetzt. In der Funktion ist die Düsseldorfer Rechtswissenschaftlerin Stellvertreterin von Kardinal Reinhard Marx (68), der den Wirtschaftsrat leitet.

Neuer Regierungschef seit September

Im September hatte Franziskus Bischof Fernando Vergez Alzaga (76) zum neuen Regierungschef für den Vatikanstaat ernannt. Alzaga ist damit seit Anfang Oktober in Personalunion Präsident der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt sowie des vatikanischen Governatorates. Der Spanier aus Salamanca war zuvor Generalsekretär der Regierung des Vatikanstaates.

Das Governatorat der Vatikanstadt ist die Staatsverwaltung. Es besteht aus einer Kommission von sieben Kardinälen, der ein Präsident als Regierungschef vorsteht. Das Governatorat wiederum untersteht der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt. (tmg/KNA
 
Klavierspielerin2 20.09.2022 19:40
Vatikan nimmt erstmals an Rad-Weltmeisterschaft teil


Diesen Sonntag steht in Australien bei der Rad-WM das Männer-Elite-Straßenrennen an. Mit dabei ist dann - zum ersten Mal - auch ein Vatikan-Team. Angeführt wird die Gruppe der Athletica Vaticana von dem 40-jährigen Radsportprofi Rien Schuurhuis aus den Niederlanden. Wie es dazu kam berichtet er persönlich in der Vatikan-Zeitung L´Osservatore Romano.


Rien Schuurhuis*

In seinem Beitrag für den Ossservatore schreibt Rien Schuurhuis:
Ich bin im Jahr 2020 nach Rom gekommen und war sofort von den Werten und dem Gemeinschaftsgeist des Vatikan-Sportvereins Athletica Vaticana angezogen. Die Aufmerksamkeit Papst Franziskus' für den Sport und dass er immer wieder betont, dass Sport ein Mittel zur Begegnung mit anderen sein kann, stehen völlig mit meiner eigenen Lebenserfahrung im Einklang: Die Sprache des Sports ist wirklich universell und steht letztlich auch ganz im Sinne der Enzyklika „Fratelli tutti", über die Geschwisterlichkeit aller Menschen, die Papst Fanziskus im Oktober 2020 veröffentlichte. 

„Athletica Vaticana am 25. September erstmals bei der Straßen-Rad-WM in Australien vertreten zu dürfen, ist für mich eine unglaubliche Ehre“


Athletica Vaticana am 25. September erstmals bei der Straßen-Rad-WM in Australien vertreten zu dürfen, ist für mich eine unglaubliche Ehre. Um das zu erreichen haben wir wunderbare Teamarbeit geleistet und ich kann es kaum erwarten, diesen Teamgeist auch ins Rennen einzubringen.

„Sport hat die Kraft, jeden von uns dazu zu bringen, das Beste zu geben“

Sport als Mittel für Integration, Geschwisterlichkeit und Frieden
Sport hat die Kraft, jeden von uns dazu zu bringen, das Beste zu geben, indem er Großzügigkeit, Aufopferungsgeist und Demut miteinander verbindet. Wir von Athletica Vaticana sind bereit, diese Werte bei den Weltmeisterschaften im australischen Wollongong einzubringen und alle Athleten zu ermutigen, „Botschafter des Sports" als Mittel für Integration, Geschwisterlichkeit und Frieden zu sein - was auch Papst Franziskus der Athletica Vaticana anlässlich der Mittelmeerspiele in Algerien im Juli mit auf den Weg gegeben hat. 

Wem Schuurhuis den Sieg gönnen würde
Mal schauen, wie das WM-Rennen am Sonntag laufen wird. Ich hatte schon immer ein Faible für Underdogs: Ich würde gern einen Fahrer aus einer der aufstrebenden Radsportnationen als Sieger sehen. Der Eritreer Biniam Girmay zum Beispiel hat gezeigt, dass er da auf Augehöhe ist. Die Strecke in Wollongong liegt mir: Ich mag Anstiege, aber ich habe auch die Kondition, um im Flachland zu fahren. Ich setze mich gerne ab und arbeite mit Fahrern aus anderen Teams zusammen, um das Ziel zu erreichen. Der Radsport schenkt einem wirklich außergewöhnliche Erfahrungen.

„Ich hatte schon immer ein Faible für Underdogs“

Außergewöhnliches Training in Rom

Für die Weltmeisterschaft habe ich mich bestmöglichst vorbereitet und so hart trainiert, wie ich konnte. Ich wohne mit meiner Familie im historischen Zentrum von Rom und beginne mein Training jedes Mal mit einem Aufwärmtraining auf einer der befahrensten Straßen: Dem Lungotevere am Tiber. Ich muss zugeben, dass dies einer der lustigsten Teile meines Trainings ist, auch wegen der Reflexe, die ich mitten im dichten cahotischen römischen Verkehrimmer wieder zeigen muss.

Nachdem ich aus Rom raus gefahren bin, geht`s um den Braccianer See und den See von Albano. Außerdem fahre ich mit meinen beiden Söhnen regelmäßig mit dem Rad über die gepflasterten Straßen des Zentrums; MItten zwischen Fußgängern, Autos und Motorrädern hindurch. Das ist wirklich ein perfektes Training für ihr räumliches Vorstellungsvermögen und die Kontrolle des Rads.
Radfahren schon immer Teil des Lebens
Solange ich denken kann - ich wurde am 12. August 1982 in Groningen, Niederlande, geboren - war Radfahren Teil meines Lebens. In meiner Heimat gehört das Radfahren zum Alltag. Wir fuhren per Drahtesel zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen und zur Kirche. Mein erstes Taschengeld habe ich für ein Fahrrad hingeblättert. Ich weiß nicht genau, wann meine Liebe zum Radsport erwachte, aber ich glaube, sie war schon immer in meinem Herzen. Ich war Fan des Spaniers Miguel Indurain; ich habe seine Bescheidenheit und Demut in- und außerhalb des Radsports sehr bewundert. Er inspirierte viele junge Radfahrer. Ganz im Gegensatz dazu steht übrigens mein Kindheitsheld Mario Cipollini mit seiner lebhaften Persönlichkeit. 

Radsport verbindet
Im Laufe der Jahre habe ich über das Radfahren viele Freundschaften mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Kultur geschlossen. Sport kennt keine Sprach-, Glaubens- oder Altersgrenzen. Der älteste meiner Radsportfreunde könnte der Großvater meines jüngsten Radsportfreundes sein. Meine Fahrradfreundschaften haben mir geholfen, wirklich in die Orte einzutauchen, an denen ich gelebt und die ich bereist habe. Sie haben mir geholfen, andere Kulturen zu verstehen und mich auch persönlich weiterzuentwickeln. Der Radsport hat mich gelehrt, immer das Beste zu geben. 

„Sport schafft Bindungen, die Unterschiede überwinden“


Wirklich, Radsport und Sport im Allgemeinen waren für mich ein großartiges Mittel, um mich in Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu integrieren: Im Jahr 2009 zog ich mit meiner Frau nach Australien; seitdem haben wir in Indien, im französischen Pazifik und jetzt in Italien gelebt. An jedem dieser Orte habe ich Freunde gefunden und durch den Sport gemeinsame Erfahrungen geteilt. Australien, das jetzt meine zweite Heimat ist, hat mich gelehrt, wie verbindend der Sport sein kann: Die Hälfte der australischen Bevölkerung wurde im Ausland geboren oder hat einen Elternteil, der im Ausland geboren wurde. Es gibt eine ganz unglaubliche Mischung von Kulturen und Sprachen. Sport schafft Bindungen, die solche Unterschiede überwinden.

Besondere Freundschaften auf aller Welt
In Indien zum Beispiel, das werde ich nie vergessen, lief ich in Neu-Delhi einen Halbmarathon an der Seite einer Frau, die barfuß und aufgrund der sengenden Hitze mit einer Kopfbedeckung lief. Wir tauschten ein Lächeln und ein paar aufbauende Worte aus. In Neukaledonien habe ich mich trotz meiner mangelnden Französischkenntnisse mit mehreren jungen Radfahrern angefreundet, von denen einige von den inidgenen Kanak abstammen. Sie hatten echt wenig Unterstützung und Geld und es war mir eine Ehre und ein Privileg, einige von trainieren und betreuen zu können und sie bei der Beschaffung von Fahrrädern und anderen Dingen zu unterstützen.

Ich bin per Rad und Pedes in ganz Asien und im Pazifik unterwegs gewesen: In Malaysia, Indonesien, Neuseeland und Französisch-Polynesien. Eine der unglaublichsten Erfahrungen war ein Radrennen auf der Insel Flores in Indonesien. Wir wurden bei den einzlenenn Etappen in mehreren über die Insel verteilten Klöstern untergebracht -das war eine spirituelle Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Die Straßen waren voller Zuschauer, es schien, als wäre die ganze Insel da, um uns anzufeuern. Die Menschen unterstützten jeden, völlig unabhängig von Rasse, Hautfarbe oder Religion.

Papstreise nach Kanada inspiriert Athletica Vaticana
Rien Schuurhuis und das Team aus dem Vatikan wollen nach der Radsport-WM in Australien übrigens zusammen mit dem Apostolischen Nuntius und der Caritas im Nachgang der Kanada-Reise von Papst Franziskus auch einige Indigene treffen.

* übersetzt und redaktionell bearbeitet von Stefanie Stahlhofen
 
Klavierspielerin2 10.03.2023 10:48
8.3.2023

43 PROZENT DER MITARBEITERINNEN IN HÖHEREN GEHALTSSTUFEN EINGRUPPIERT
Frauenanteil an römischer Kurie unter Papst Franziskus gestiegen 


VATIKANSTADT ‐ Wie viele Frauen arbeiten in der Kirchenleitung an der römischen Kurie? Zehn Jahren nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus haben sich die Zahlen deutlich verändert, wie eine Recherche von "Vatican News" zum Weltfrauentag zeigt.


Ein Viertel der Beschäftigten der katholischen Kirchenleitung im Vatikan sind Frauen. Wie aus einem Beitrag des Portals Vatican News (Dienstag) zum Weltfrauentag an diesem Mittwoch hervorgeht, beträgt der Frauenanteil in der römischen Kurie 26,1 Prozent – zum Amtsantritt von Papst Franziskus vor zehn Jahren waren es noch 19,3 Prozent. In absoluten Zahlen sind demnach 812 von 3.114 Angestellten des Heiligen Stuhls weiblich.

43 Prozent der Kurienmitarbeiterinnen sind laut Vatican News in höheren Stufen der vatikanischen Gehaltstabelle eingruppiert, die üblicherweise einen akademischen Abschluss voraussetzen, etwa in Rechtswissenschaften oder Verwaltung. Fünf Frauen bekleiden den Posten eines Untersekretärs in einer Vatikanbehörde, eine den Rang eines Sekretärs – dies entspricht der dritt- beziehungsweise zweithöchsten Führungsebene.

In der Gesamtbelegschaft von Heiligem Stuhl und Vatikanstaat zusammen wuchs die Zahl weiblicher Beschäftigter dem Beitrag zufolge von 846 beim Amtsantritt von Papst Franziskus im Jahr 2013 auf jetzt 1.165. Die Frauenquote stieg damit von 19,2 auf 23,4 Prozent. (mal/KNA)
 
Klavierspielerin2 21.04.2024 13:17
GEHÄLTER, ARBEITSZEITEN UND FAMILIENFREUNDLICHKEIT

Arbeiten im kleinsten Staat der Welt: Die Jobbörse des Vatikans


VATIKANSTADT ‐ Etwa 4.800 Menschen beschäftigt der Vatikan – Männer, Frauen, Geistliche und Laien. Die Jobs sind heiß begehrt, doch die Bedingungen speziell. Was bietet der Arbeitgeber Vatikan und wo finden sich offene Stellen?



Die Katalogisierung von Musikmanuskripten in Vollzeit: Dafür sollte der Bewerber Lateinkenntnisse und ein Studium der Geisteswissenschaft mitbringen. Erfahrung in der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wird beim neuen Compliance-Beauftragten vorausgesetzt. Dafür erhält er einen unbefristeten Arbeitsvertrag, genauso wie der Risikomanager für Investitionen im Bereich Finanzen und Immobilien.

Das in Deutschland obligatorische (m/w/d), das Personen jederlei Geschlechts einbeziehen soll, fehlt in diesen Stellenausschreibungen. Dafür gilt: "Aufgrund des seelsorgerischen und kirchlichen Charakters des Dienstes ist die Einhaltung der Grundsätze der kirchlichen Lehre erforderlich." Denn die Arbeitsangebote finden sich nicht auf einer üblichen Internet-Jobbörse, sondern auf dem Stellenportal des Vatikans.

Vollzeit-Arbeitswoche hat 36 Stunden

Vor etwa eineinhalb Jahr begann dessen Wirtschaftssekretariat mit der Online-Ausschreibung von Arbeitsstellen im kleinsten Staat der Welt. Ein Novum. Ganze Familiendynastien bauten ihre Existenz auf eine Stelle im Kirchenstaat – vererbten den Posten vom Vater an den Sohn und so weiter. Ebenso üblich waren wie sind Empfehlungen für eine Neubesetzung. Glücklich wer jemanden kennt, der jemanden kennt ... Sind Arbeitsplätze im Vatikan doch bis heute angesehen und begehrt – vom Pförtner bis zum Behördenleiter.


Von den etwa 4.800 Beschäftigten arbeiten mehr als die Hälfte für den Heiligen Stuhl, also in den Behörden, Medien oder Botschaften der Weltkirchen-Verwaltung. Die anderen sind Angestellte des 44 Hektar großen Vatikanstaats: Gärtner, Verkäufer im Supermarkt oder bei der Post, Museumswärter, Reinigungskräfte.

Eine Vollzeit-Arbeitswoche im Vatikan hat 36 Stunden. Die Bezahlung erfolgt nach festgelegten Gehaltskategorien und -stufen, wie die französische Agentur Imedia kürzlich recherchierte. Demnach erhalten Angestellte zwischen 1.500 und 3.000 Euro pro Monat, bei 13 Gehältern im Jahr. Alle zwei Jahre gibt es eine Dienstalterszulage sowie einen Inflationsausgleich – wenn der Papst diese nicht wie 2021 aufgrund der Covid-Pandemie einfriert. Leitende Angestellte erhalten in der höheren, zweiten Kategorie ein Gehalt von 2.900 bis 3.600 Euro pro Monat. Der Abzug für Alters- und Krankenversicherung liegt bei etwa zehn Prozent vom Bruttogehalt. Eine Einkommensteuer wird nicht erhoben.

Gehälter höher als in Italien

Vollzeit-Angestellte haben Anspruch auf 22 oder 25 Urlaubstage pro Jahr – je nachdem ob sie fünf oder sechs Tage pro Woche arbeiten. Die ausländischen Beschäftigten werden in der Zentrale der Weltkirche mit weiteren Urlaubstagen bedacht – drei zusätzliche gibt es für Europäer, fünf für Menschen aus dem Rest der Welt. Frauen erhalten einen sechsmonatigen Mutterschaftsurlaub, frischgebackene Väter drei Tage. Eine Kinderbetreuung müssen sie außerhalb der vatikanischen Mauern suchen. Mit 65 Jahren geht der nicht-geistliche Vatikan-Angestellte in Rente. Arbeitslosengeld gibt es nicht, Streiken ist verboten.

Einige Privilegien für die eigenen Angestellten hat Papst Franziskus abgeschafft. Einen bevorzugten Zugang zu Vatikan-Immobilien gibt es nicht mehr. Die bis dato günstigen Mieten werden schrittweise abgeschafft und an die üblichen Marktpreise angeglichen. Dem "klüngelnden" Empfehlungsvorgang für Stellen-Neubesetzungen hatte schon Papst Benedikt XVI. einen wenigstens theoretischen Riegel vorgeschoben. Kurz vor seinem Rücktritt richtete er die "Unabhängige Bewertungskommission für die Einstellung von Laienpersonal am Apostolischen Stuhl" ein, die jeden Bewerber überprüfen soll.

Sind die Gehälter in den untersten Stufen zwar mitunter höher als in Italien, ist ein Familienleben in Rom – besonders ohne die Mietvorteile – mit einem Vatikan-Einkommen nur schwer zu stemmen. Da fallen auch die günstigeren Lebensmittel im Vatikan-Supermarkt und das niedriger besteuerte Benzin wenig ins Gewicht. Darum setzt der Vatikan bei seinen Angestellten häufig auf Priester und Ordensleute – ohne Anhang, dafür mit Zugang zu günstigen Zimmern in den zahlreichen katholischen Häusern Roms. In einem davon, dem vatikanischen Gästehaus Santa Marta, lebt Papst Franziskus. Der bezieht gar kein Gehalt, lebt dafür aber in Vollpension.

Von Severina Bartonitschek (KNA)
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