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Die Sprengung der Rostocker Christuskirche

Die Sprengung der Rostocker Christuskirche
DDR-Regime wollte an ihrer Stelle ein sozialistisches Stadtzentrum errichten

Die Sprengung der Rostocker Christuskirche: Ein politischer Willkürakt 

Vor 50 Jahren sprengte die DDR-Regierung die katholische Rostocker Christuskirche. Sie ist eines von vielen Gotteshäusern, das sozialistischen Plänen weichen musste – die in diesem Fall nie realisiert wurden. Doch heimatlos wurde die Gemeinde nicht.


Sie war die größte katholische Kirche Mecklenburgs und der ganze Stolz der katholischen Minderheit: Vor 50 Jahren wurde die Rostocker Christuskirche aus ideologischen Gründen vom DDR-Regime gesprengt. Noch heute erinnern sich viele Gläubige mit Wehmut an das einstige Gotteshaus. "Viele Katholiken hatten ihr Herz an die alte Kirche gehängt", sagt der frühere Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Georg Diederich. Er war Direktor des Schweriner Heinrich-Theissing-Instituts, das die Kirchengeschichte Mecklenburgs erforscht, und ist Autor eines Buchs über die Zerstörung der Christuskirche.

Anfang des 20. Jahrhunderts war es Anhängern der katholischen Konfession im protestantisch geprägten Mecklenburg untersagt, eigene Kirchen mit Turm zu errichten. Nachdem der zuständige Bischof von Osnabrück ein Grundstück in Rostock erworben hatte, wagten es die selbstbewussten Rostocker Katholiken dennoch, einen Bauantrag zu stellen. Überraschend ernteten sie Zustimmung und errichteten einen repräsentativen, neogotischen Klinkerbau in zentraler Lage. In dem 68 Meter hohen Turm wurden drei Glocken untergebracht. "Die Katholiken in Rostock hatten plötzlich Ansehen", erklärt Diederich.

Rücksicht auf protestantische Mehrheit

1909 wurde die Kirche dem Heiligen Herzen Jesu geweiht. Aus Rücksicht auf die protestantische Mehrheit, die mit der Herz-Jesu-Verehrung der Katholiken nichts anfangen konnte, wurde sie jedoch Christuskirche genannt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gotteshaus beim großen Bombenangriff auf Rostock am 11. April 1944 zerstört. Acht Menschen kamen dabei zu Tode. Unter Mithilfe zahlreicher Flüchtlinge und Vertriebener wurde schon 1945 mit dem Wiederaufbau begonnen. "Die ersten Glocken, die nach dem Krieg wieder in Rostock läuteten, waren die Glocken der Christuskirche", so Diederich.

Gut 20 Jahre lang diente sie der Gemeinde erneut als Heimat, bis Anfang 1969 der damalige Pfarrer Nikolaus Schnitzler von Plänen der DDR-Regierung erfuhr, nach denen die Kirche abgerissen werden sollte. Das Regime wollte den Zentren der größeren Städte einen sozialistischen Stempel aufdrücken. Kirchbauten vertrugen sich nicht mit dem atheistischen Weltbild der Partei. So waren auch andernorts bereits repräsentative Gotteshäuser gesprengt worden, etwa die Marienkirche im benachbarten Wismar, die Garnisonkirche in Potsdam und die Paulinerkirche in Leipzig. An ihre Stelle traten vielfach sozialistische Hochbauten.

Schnitzler protestierte gegen die Pläne in Rostock. Doch den Abriss des Gotteshauses konnte er trotz Schützenhilfe der Bischofskonferenz nicht abwenden. Allerdings ließen sich die Genossen auf einen Kompromiss ein. Der Gemeinde wurden ein Ersatzgrundstück am Rand der Innenstadt und eine Entschädigungszahlung angeboten. Dafür musste die katholische Kirche, die gute Kontakte in den Westen pflegte, Devisen von dort beschaffen. "Die Katholiken hatten sich damit abgefunden, dass sie mit der Verlegung ihrer Kirche zwar aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn der Stadtgesellschaft gerieten", sagt Diederich.

Grundstein für den Ersatzbau

Am 16. September 1970 wurde der Grundstein für den Ersatzbau am Borenweg gelegt, am 12. Juni des Folgejahres die neue Christuskirche eingeweiht. Zwei Tage zuvor hatte in der alten Kirche der letzte Gottesdienst stattgefunden. "Dabei war schon im April klar, dass aus dem geplanten sozialistischen Stadtzentrum nichts werden würde, weil die DDR pleite war", so Diederich. Am Abrissplan hielt das Regime jedoch fest. Am 12. August 1971 wurde die alte Christuskirche unter den Blicken zahlreicher Schaulustiger gesprengt.

Ihr Standort am Schröderplatz blieb bis 2012 unbebaut. Heute steht dort ein Hotel, die Umrisse der früheren Kirche wurden in das Gehwegpflaster eingelassen. In unmittelbarer Nähe erinnert zudem ein Mahnmal an das Gotteshaus. Die neue Christuskirche – ein quadratischer Betonbau mit wellenförmigem Dach – ist weiterhin Heimat der katholischen Herz-Jesu-Gemeinde. Ein Glasfenster, mehrere Heiligenstatuen und einige weitere Stücke aus der alten Kirche haben dort ebenfalls einen Platz gefunden.

Am Donnerstag will die Gemeinde mit einer Gedenkstunde an den Akt politischer Willkür erinnern, dessen Opfer sie 1971 wurde. Dazu wird auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck erwartet, der aus Rostock stammt und damals evangelischer Pastor in Mecklenburg war.

Von M.Althaus (KNA)

Kommentare

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Klavierspielerin2 12.08.2021 06:59
Kirchentreffen als "Veranstaltung des kalten Krieges" diffamiert

Vor 60 Jahren: Als die DDR einen gesamtdeutschen Kirchentag verbot
Eigentlich sollte der evangelische Kirchentag 1961 in Ost- und West-Berlin stattfinden. Doch es kam anders als geplant: Die DDR untersagte die Feier im Ostteil der Stadt – zur "Sicherung des Friedens". Wenig später wurde die Mauer gebaut.

Am 19. Juli 1961 sollte in Ost- und West-Berlin der 10. Deutsche Evangelische Kirchentag beginnen. Doch dann kommt alles ganz anders: Am 8. Juli vor 60 Jahren gibt der Ost-Berliner Polizeipräsident einen Beschluss bekannt, der keinen Raum mehr für Missverständnisse lässt: "Im Interesse der Gewährleistung von Ruhe und Ordnung und zur Sicherung des Friedens ist der Evangelische Kirchentag in der Hauptstadt der DDR (Demokratisches Berlin) verboten."

Als "Veranstaltung des kalten Krieges" beeinträchtige der Kirchentag Verhandlungen über die "Lösung der Westberlinfrage" und einen Friedensvertrag, heißt es zur Begründung des Verbots durch das Politbüro der SED. Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg protestiert mit einem Brief beim Ministerrat der DDR, die sächsische Kirchenleitung protestiert per Telegramm. Geholfen hat es nicht, die Kirche musste umdisponieren.

Keine typischen Kirchentagsveranstaltungen in Ost-Berlin, heißt es nun. Stattdessen "gottesdienstliche Veranstaltungen" zu den Themen der Bibelarbeiten im Westen. Zur Eröffnung am 19. Juli schließlich predigt der Berliner Bischof Otto Dibelius in West-Berlin und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kurt Scharf, im Osten – mit überwältigender Resonanz.

Zeichen der Verbundenheit zwischen Ost und West

"Die Marienkirche musste anderthalb Stunden vor Beginn wegen völliger Überfüllung geschlossen werden", erinnert sich ein Beteiligter. Auch die zur Verfügung stehende Ausweichkirche wird schon eine Stunde vor Beginn wegen des großen Andrangs geschlossen.

Mit Bussen und Autos helfen Kirchentagsteilnehmer aus dem Westen beim Transport zu anderen Orten: "Für die Gemeinden Ost-Berlins war es ein beinahe nicht mehr zu glaubendes Bild. So sehr sind wir miteinander noch verbunden."


Bild: © KNA
Getrennt, was eigentlich zusammen gehört: Nur wenige Wochen nach dem Kirchentag begann die DDR im August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer. Bis zu ihrem Fall 1989 teilte sie Deutschland in Ost und West und forderte über 100 Todesopfer.

Wirklich überraschend war das Verbot des Kirchentags für Ost-Berlin jedoch nicht über die evangelische Kirche gekommen. Schon rund anderthalb Jahre davor waren die ersten Ankündigungen, 1961 einen Kirchentag in beiden Teilen Berlins zu feiern, bei der DDR-Führung auf wenig Begeisterung gestoßen. "Alle Versuche durch Monate hindurch zu einer offiziellen Verhandlung über unsere Anträge zu gelangen, scheiterten", schreibt Scharf Anfang 1961 in einem Brief. Die Vorbereitungen gehen trotzdem weiter, inoffizielle Gespräche werden positiv gewertet, eine Million Kirchentagsabzeichen werden beim VEB "Staatliche Porzellan-Manufaktur" in Meißen bestellt.

Sorge vor angeblicher "Provokation gegen DDR"

Nach einem Gespräch zwischen Kirchen- und Regierungsvertretern "zur Frage eines Gesamtdeutschen Berliner Kirchentages" am 30. Dezember 1960 heißt es offiziell am 11. Januar in einer Regierungserklärung: Der Kirchentag in München 1959 habe gezeigt, dass Vertreter der westdeutschen "Militärkirche" bei dem Protestantentreffen "kirchliche Veranstaltungen und religiöse Anliegen christlicher Bürger zu Provokationen gegen die DDR" nutzen wollten. Die Regierung könne deshalb "dem Antrag, den nächsten Kirchentag in Berlin durchzuführen, nicht entsprechen".

Innerhalb der Kirche bricht im Frühjahr 1961 ein Streit über den geplanten Kirchentag aus. Martin Niemöller, Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, sagt ab und ruft zum Boykott auf. Doch es bleibt bei Berlin. Die Verhandlungen mit DDR-Regierungsstellen gehen trotz negativer Vorzeichen weiter. Nun gehe es nicht mehr nur um den Kirchentag, "sondern überhaupt um die Einheit der Evangelischen Christenheit in Deutschland", heißt es in einem Schreiben an den DDR-Staatssekretär für Kirchenfragen.

Drei Wochen später beginnt der Mauerbau

Fast 43.000 Dauerteilnehmer verzeichnet schließlich die Kirchentagsstatistik für das fünftägige Protestantentreffen auf dem West-Berliner Messegelände, darunter knapp 20.000 aus der DDR, trotz Verbot und Behinderung. Mehr als 80.000 Menschen nehmen am 23. Juli an der Abschlussveranstaltung im Olympiastadion teil. Der Kirchentag, betont dort Kurt Scharf noch einmal, "ist ein gesamtdeutscher Kirchentag gewesen".

Nur drei Wochen später beginnt die DDR mit dem Bau der Mauer. Am 31. August wird Kurt Scharf aus Ost-Berlin ausgewiesen. "Es ist ein Kirchentag, der objektiv und faktisch ein Argument im Kalten Krieg geworden ist", so hat es der Theologe Helmut Gollwitzer zusammengefasst: "Das haben wir alle nicht gewollt."

Von Y. Jennerjahn (epd)
 
Jerusa 12.08.2021 09:12
In Russland wurden auch viele Kirchen gesprengt, die Partei sollte die Stelle Gottes einnehmen....
Inzwischen hat Hubert Liebherr ueber 100 Kirchen dort gebaut !!!
Hoffen, und beten wir, dass auch  die Christus Kirche in Rostock wieder aufgebaut wird. 
 
Rosenlied 12.08.2021 11:47
⛪Der Gedanke, dass  eine Kirche gesprengt wird, 
ist einfach unerträglich!!...

⛪Danke, liebe @Jerusa, für Deinen Hoffnung 
machenden Bericht.
 
Arne 12.08.2021 11:53
Das Christentum ist eine eigenständige Weltanschauung und als solche ist sie "Konkurrenz" zu anderen Ideologien. Das erklärt auch die Angriffe auf Kirchen, Ehe, Familie, Weihnachtsmärkte usw. - da Dinge wie Ehe, Konfirmation usw. traditionell kirchliche Einrichtungen sind wird eben schon seit Ewigkeiten versucht, sie durch etwas anderes zu ersetzen oder kaputt zu machen.
 
(Nutzer gelöscht) 12.08.2021 12:56
Es gibt auch viele Kirchenbauten, die säkularisiert und einer profanen Nutzung "umgewidmet" wurden, manchmal sogar zu Wohnzwecken. Leider sind es dann meistens keine gläubigen Christen, die darin wohnen, sondern hippe Architekten oder reiche Menschen, die ein "stylisches" Zuhause wollen. 
 
hansfeuerstein 12.08.2021 17:27
Wir wissen doch alle, dass Moscheen gebaut, und Kirchen eingerissen werden, gerade in unserer Zeit. Welche Veränderungen für die Gesellschaft damit einhergehen, haben sie
noch nicht einmal begonnen zu ahnen. Die Muslime machen nur das, was im Eigeninteresse
steht, selber schuld wenn wir das Gegenteil tun.
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