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Warum uns der Tod der eigenen Mutter so berührt

Warum uns der Tod der eigenen Mutter so berührt
BONN ‐ Egal, ob man sieben, 17 oder 57 Jahre alt ist – kaum etwas berührt Menschen so sehr wie der Tod der eigenen Mutter. Warum er eine solche Lücke hinterlässt, hat viele Gründe. In einem Buch zeichnet eine Autorin ihren schwierigen Trauerweg nach.


So lange sie lebt, gehört die eigene Mutter meist wie selbstverständlich zu unserem Leben dazu. Selbst wer nicht regelmäßig mit ihr Kontakt hat, weiß sie – wie ein sicheres Netz und einen Zufluchtsort – im Hintergrund. Wenn sie dann aber eines Tages nicht mehr da ist, ändert sich das Lebensgefühl grundlegend. "Jedes Kind ist nach dem Tod der Mutter nicht mehr dasselbe", stellt Britta Buchholz fest. "Wenn die eigene Mutter stirbt, ist das ein tiefer Einschnitt – egal, wie gut oder schlecht die Beziehung war."

Buchholz ist 31 Jahre alt, als ihre 30 Jahre ältere Mutter an einer Krebserkrankung stirbt. Zu früh, findet die Journalistin und Buchautorin, die dieser Tod erschüttert und verzweifeln lässt. Sie fragt sich, warum ihr Tod selbst eine erwachsene Frau wie sie so aus der Bahn werfen kann. Der Alltag sei danach wie immer, "aber ich bin nicht dieselbe". Buchholz fühlte sich "mutterseelenallein", wurde von einer "geborgenen Tochter zu einer Tochter ohne Mutter", die sich neu definieren musste.

Zeit fürs Trauern nehmen

Über den schwierigen Trauerweg und ihre Selbstfindung hat Buchholz ein berührendes Buch geschrieben. Sie brauchte mehrere Jahre, um sich neu zu sortieren; besuchte ein Kloster, war Teil einer Trauergruppe und nahm sich auch eine dreiwöchige Auszeit auf Lanzarote. Diese nutzte sie auch für eine innere Reise, die sie in ihrem Buch "mutterseelenallein" beschreibt.

Dabei musste sie erst lernen, sich Zeit fürs Trauern zu nehmen und nicht einfach zu funktionieren und weiterzuleben wie bisher. Das mit der Trauer verhalte sich so wie ein Ball, den man unter Wasser drücken wolle, stellte sie fest. "Irgendwann flutscht der Ball einfach in die Luft, und die ganze Traurigkeit bahnt sich ihren Weg." Wer vor ihr weglaufe, dem folge sie. "Die Trauer ist kein böses Monster, das uns quälen möchte. Sie ist Liebe, die gesehen werden will", spürt Buchholz.

Rote Grablichter stehen im Herbstlaub
Bild: ©KNA/Jörg Loeffke (Symbolbild)
Nach dem Tod ihrer Mutter brauchte Britta Buchholz mehrere Jahre, um sich neu zu sortieren.

Auf der kargen Kanareninsel stellt sie sich schließlich ihrer Trauer, der Stille, ihrer Angst. Ihr wird klar, "dass ich meine Mutter richtig verabschieden muss, bevor ich weiß, wer ich eigentlich bin". Zum Erwachsenwerden gehöre es, die Mutter – auch wenn diese noch lebt – als Teil eines natürlichen Ablösungsprozesses loszulassen, ein eigenständiges Leben zu führen und ihr auf Augenhöhe, als gleichwertiger Erwachsener zu begegnen. Zugleich sei es aber auch an der Mutter, die "verflucht robuste Nabelschnur" zu durchtrennen, schreibt Buchholz.

Nach einer Phase der Symbiose in der Kindheit sollten sich junge Menschen in der Pubertät von ihren Eltern abgrenzen, doch nicht allen Töchtern gelingt dies bei der Mutter. Denn "das Mutter-Tochter-Ding" – Macht, Manipulation, Rechthaberei, Bevormundung – verhindere oft eine gesunde Ablösung und eine eigene Identität. Mitunter quäle die Mutter ihre – längst erwachsene, sie aufopferungsvoll pflegende – Tochter, die sich nach Anerkennung und Liebe sehne, mit Psychospielchen.

Auch Verletzungen in einer Beziehung

Deshalb kann aus Buchholz' Erfahrung eine schonungslose Bilanz der Beziehung helfen – inklusive aller Schattenseiten. Verstorbene sollten nicht glorifiziert werden; denn in der Beziehung gebe es oft auch verletzende Sätze, Abhängigkeitsbeziehungen, Lieblosigkeit. Solch eine ehrliche Bilanz nehme dem Verlust seine Größe und schaffe Platz für andere Menschen im Leben des Hinterbliebenen.

Buchholz wird bei ihrer inneren und äußeren Reise bewusst, dass sie sich nach dem Verlust ihrer Mutter nun selbst um ihr "inneres Kind" kümmern und nach dem Verlust des Zuhauses in sich eine Heimat finden muss. Am Ende findet die Journalistin zurück ins Leben, kann den schmerzlichen Verlust als die Chance sehen, ein neues Fundament in sich zu finden und ein "buntes, starkes, krisensicheres Netz" an Menschen aufbauen, die ihr gut tun.

Buchholz kommt zu dem Schluss, dass der Tod zwar das Leben eines geliebten Menschen beendet, nicht aber die Liebe zu ihm. Sie spürt: Die innere Beziehung und Verbindung bleibt weiterhin bestehen. So hat sich auch bei ihr der Schmerz in Erinnerungen voller Dankbarkeit verwandelt.

Von Angelika Prauß (KNA)
Buchhinweis
Britta Buchholz: mutterseelenallein. Eine Tochter findet ihren Weg, Verlag Diedrichs 2022, 236 Seiten, 18 Euro.

Kommentare

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Jerusa 14.05.2023 10:16
Das Problem ist die Endgültigkeit...!!! 
Kein, - zumindest irdischer - Austausch ist mehr möglich...., keine Erklärungen, kein Verständnis, kein gegenseitiges Kennenlernen..... Viele Fragen bleiben unbeantwortet, Entschuldigungen unausgesprochen, Liebe ungelebt .... 
 
Kensch 14.05.2023 10:34
Jerusa, da stimme ich Dir voll und ganz zu.

Ich weiß nicht, wie oft ich nach dem Telefon gegriffen hab und wollte sie anrufen und dann gedacht hab "oh, das geht jetzt nicht mehr"...
War schon eine harte Zeit als sie drei Wochen nach meinem Vater gestorben war...  😥
 
(Nutzer gelöscht) 14.05.2023 12:17
Meine Mutter beschäftigt mich bis heute, 11 Jahre nach ihrem Tod. Gehe einmal die Woche zum Friedhof. Sollte es tatsächlich Himmel oder Hölle geben für ein Leben nach dem Tod, dann will ich das dort verbringen, wo meine Mutter ist.
 
(Nutzer gelöscht) 14.05.2023 12:26
Jeder Mensch trauert anders.........
 
Engelslhaar 14.05.2023 12:27
In meinem Poesiealbum stand der Spruch:

Ehre ein Mutterherz, solange es schlägt
Wenn es im Grabe liegt, ist es zu spät
 
HelenaSeverin 14.05.2023 13:45
Danke für die Buchempfehlung!

Ich werde es übertragen (zumindest versuchen) und den Tod meiner Oma unter ihren Aspekten beleuchten.
Meine Oma war mir teils Mutterersatz und wichtigste Bezugsperson nach meiner Mutter! Diese Erkenntnis hatte ich 10Jahre nach dem Tod meiner Oma und die Emotionen, die noch vorhanden sind (seit sie tot ist), sind zahlreich. Ich vermisse sie noch oft - auch nach langer Zeit
 
(Nutzer gelöscht) 14.05.2023 13:51
Ja, der Tod meiner Mutter war für mich mit der einschneidendste Tag in meinem Leben. Ich habe hatte ein wunderbare Mutter, sie ist mein großes Vorbild. Ich habe in den letzten Jahren vor ihrem Tod fast täglich mit ihr telefoniert - von Unterfranken nach Hamburg. Nachdem mein Vater bei einem Besuch bei uns einen schweren Schlaganfall erlitten hatte, haben meine Eltern ca. 9 Monate bei uns gewohnt, meinem Vater ging es dann besser, er konnte aber nicht mehr reden und war auf den Rollstuhl angewiesen. Er hat danach noch einige Jahre bei Hamburg gelebt und meine Eltern haben dann immer den Sommer über bei uns gelebt. Meine Mutter hat meinem Vater 10 Jahre lang aufopferungsvoll gepflegt. Ich bemühe mich ihr nachzueifern. Für meine Mädchen war die Oma Leni auch das Höchste. Eine meiner Enkelinnen heißt daher auch Sophie Helene.  
Für mich hat der Muttertag daher seine Berechtigung. 
 
(Nutzer gelöscht) 14.05.2023 14:58
War gerade 40 als mein Mam starb 
hatte einen Enkel   
mein 2009 verst. Sohn   ( unfall ) 
meine 3 Girls erst später geb .
Tja    Muttertag    hab Sie heut zu ihr  Mom gefahren und hol Sie wieder ab 
HAB ihnen schon während  den jahren der Alleinerz.  " bei" gebracht   was  --Himmelfahrt -- bedeuted    und für Uns  ( ergo mich ) nicht der Vatertag    logo war stets gemeins. Essen mit auf Achse sein --- und kleine Achtsamkeiten von Ihnen zu mir -- damit verbunden 
  Trink halt mein Capu ohne und verdrück mich vor dem -- Überall -- 
geh arbeiten  wie werktags   und fühl   net besonders     war in Church  und im Gebet gegen mein innerste Animositäten  die eben doch aufkommen      Bin elend- schwachen Geistes  .  Sorry für den Comment    geh  los 
und raus 
 
 
Autumn 14.05.2023 16:18
zu 12:27

... und in meinem Poesiealbum steht:

"Wenn du noch eine Mutter hast,
So danke Gott und sei zufrieden;
Nicht allen auf dem Erdenrund
Ist dieses hohe Glück beschieden."


Hab gerade nachgeschaut, wer mir das reingeschrieben hat vor über 50 Jahren.
Es war mein Opa (mütterlicherseits). 
 
Autumn 14.05.2023 16:21
Die letzten zwei Strophen dieses Gedichtes von
Friedrich Wilhelm Kaulisch (1827 - 1881) lauten:

"Und hast du keine Mutter mehr,
Und kannst du sie nicht mehr beglücken,
So kannst du doch ihr frühes Grab
Mit frischen Blumenkränzen schmücken.

Ein Muttergrab, ein heilig Grab,
Für dich die ewig heil'ge Stelle;
O, wende dich an diesen Ort,
Wenn dich umtost des Lebens Welle!"
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