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Ablass, Fegefeuer: Kaputte Fenster und Martin Luther

Ablass, Fegefeuer: Kaputte Fenster und Martin Luther
" „Ablass – und kein Ende“, so titelt eine Verlautbarung der VELKD (Vereinigung der deutschen Lutheraner), in der das Thema aus lutherischer Sicht aufgearbeitet wird.





Mal ein Zitat einer unverdächtigen Person voran gestellt:



„Wer gegen die Wahrheit der apostolischen Ablässe redet, der soll gebannt und verflucht sein.“ (Martin Luther, These 71)







Erst vor ein paar Tagen hat ein Protestant wohlwollend gesagt, dass ja Luther gar keine neue Kirche hat gründen wollen, er hätte nur gegen den Ablass gepredigt. Diese Ansicht ist weit verbreitet. So etwa betonte der „Skandalprediger“ Olaf Latzel aus Bremen (dessen Predigt manche Katholiken wegen ihrer Islamkritik gelobt haben, ohne zu bemerken, dass der Hauptfeind in der Predigt, der Katholizismus ist!): „Als Luther gesagt hat (&hellipzwinkerndes Smiley einen Reliquienkult und diesen ganzen Ablass, das dürft ihr nicht.“ An dem einleitenden Zitat können wir ziemlich eindeutig ablesen, dass diese Ansicht schlicht falsch ist. Ich erinnere mich, dass es in mir als Protestantin größte Verwunderung hervorrief, als ich das, was von der evangelischen Kirche als Fanal zu Freiheit etc. gepriesen wird, dann tatsächlich einmal las. Ich stellte fest:

Entweder, niemand in meiner Kirche hat die Thesen gelesen, oder man hat sie gelesen und ignoriert sie, wissend, dass sie sonst keiner gelesen hat und man behaupten kann, was man will.



Eines jedenfalls wusste ich nach der Lektüre: Luther war nicht gegen den Ablass.







Was ist denn eigentlich ein Ablass?



Natürlich dachte ich damals: „Tja, der war halt auch noch katholisch. Wir haben es besser. Wir wissen, dass der Ablass Quatsch ist“. Das Problem liegt auf der Hand: Kein Protestant und hierzulande nur mehr wenige Katholiken wissen überhaupt, was der Ablass ist, weshalb sie natürlich auch nicht wissen, dass er Quatsch ist.
 Es wird lediglich geglaubt, dass dem so sei. Spannend ist, dass, obgleich es eindeutige Definitionen seitens der Kirche gibt (die zu verstehen dann natürlich noch einmal eine Aufgabe ist), offenbar landauf landab Erklärungen vorherrschen, die eher auf individuellen Phantasien antikatholischer Spinner beruhen, als auf Tatsachen.





Nur zwei kurze Beispiele aus einem nahezu unendlichen Pool:



„Ablass, der – in der katholischen Kirche Lossprechung von Sünden“ nennt(erster Eintrag, wenn man das Wort bei Google eingibt)



„Der Ablass ist in der katholischen Kirche eine Tat, um Gottes Gnade zu erlangen nach einer begangenen Sünde. Das kann die Beichte sein, eine Wallfahrt oder ein Kirchenbesuch.“ (Kinderzeitmaschine, eine Homepage, die historisches „Wissen“ an Kinder vermittelt)







Demgegenüber nun einmal die amtliche Definition:



Ablass ist der Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld schon getilgt ist; ihn erlangt der entsprechend disponierte Gläubige unter bestimmten festgelegten Voraussetzungen durch die Hilfe der Kirche, die im Dienst an der Erlösung den Schatz der Sühneleistungen Christi und der Heiligen autoritativ verwaltet und zuwendet (cic992)







Das Schwierige ist, dass man erst einmal gewisse Begriffe verstehen muss, die ebenfalls gänzlich missverstanden werden. Man muss wissen, was Sünde, Buße, Reue, Strafe ist. Und – Vorsicht, catholic content – Fegefeuer.





Begriffschaos: Sünde, Sühne, Schuld und Strafe.



Ein Beispiel, das schon extrem inflationär gebraucht wird, aber offensichtlich ist es einsichtig. Es ist nur ein Vergleich, also nicht ganz 1:1, aber recht anschaulich.





Ein Junge macht ein Fenster kaputt beim Fußballspielen. Standardsituation. Allerdings hat er es absichtlich getan. Nun kommt der Eigentümer. Der Junge kann bereuen, dass er das Fenster kaputt gemacht hat. Und der Eigentümer kann es vergeben. Aber was machen wir mit dem Fenster? Es ist immer noch kaputt und muss repariert werden. Darüber hinaus steht Hausarrest an, denn es geht nicht nur darum, dass das Fenster kaputt ist, sondern auch darum, dass er es absichtlich getan hat und lernen muss, dass man so etwas nicht tut, d.h. er muss sich bessern ( " läutern " ).







In einer Welt, in der das protestantische Sündenverständnis uns vorgaukelt, es gäbe zwar Sünde, aber was das genau ist, wissen wir nicht mehr so genau, es ist eher ein diffuses Weg-von Gott-Sein; da gibt es nach der Vergebung durch die Taufe einfach keine zerbrochenen Fenster und keinen Hausarrest mehr. Gott vergibt die Sünde und das Fenster ist wundersamerweise wieder heil.
 Das, lieber Leser, ist Quatsch. Wir alle wissen, dass Sünde Folgen hat, und zwar unabhängig davon, wie sehr sie uns leid tut!



Wer Herr der Ringe gelesen hat, erinnert sich etwa daran, dass das paradiesische Auenland nach der Zerstörung durch das Böse eben nicht wieder perfekt ist, als sei das Böse spurlos vorübergegangen. Es hat Spuren hinterlassen. Wer durch einen Menschen verletzt wurde, weiß, dass auch die Vergebung nicht ändert, dass die Verletzung zugefügt wurde und auch noch Auswirkungen hat. 
Wenn jemand ermordet wurde, bleibt die Person tot, trotz der Reue des Mörders und der Vergebung der Angehörigen, etc. etc. Die Welt ist voller zerbrochener Fenster und Katholiken sehen das ein. 
Der evangelische Junge zuckt also mit den Schultern, reckt die Hände in den Himmel und fragt sich, wieso das Fenster immer noch kaputt ist. Dann sagt er sich, dass das wohl einfach ein dem Verstand unzugängliches Mysterium sei, er kann jedenfalls nichts dafür und hat mit dem kaputten Fenster auch nichts mehr zu tun, Gott hat ihm schließlich vergeben, und spielt weiter. 
Der katholische Junge überlegt, wie lange er nun auf Taschengeld verzichten muss, um das Fenster  reparieren lassen zu können und geht dann nach Hause in der traurigen Erwartung des Hausarrestes.







Diese Strafe kann ihm keiner abnehmen. Keiner? 
Doch. Die Eltern beschließen nämlich, dass der Delinquent, wenn er statt dessen zur Dorfgemeinschaft, die er durch sein Tun geschädigt hat, etwas beiträgt, den Hausarrest erlassen bekommt. Außerdem hat eben diese Dorfgemeinschaft in weiser Voraussicht einen Fonds für unartige Jungs eingerichtet, aus dem er einen Betrag bekommt, damit er mit seinen 5 Euro Taschengeld nicht sein Leben lang das Fenster abstottern muss.







Der Ablass ist eine Äußerung der Barmherzigkeit Gottes.







Ablass ist also eine Maßnahme, die die Konsequenzen der Sünde tilgt. Das ist etwas Nettes!







Okay. Aber wieso Fegefeuer? Das ist doch nichts Nettes?! Doch. Ist es.







Lustigerweise hat diese Wahrheit ausgerechnet ein evangelikales Buch über Heiligung erläutert. Dort wurde beschrieben, dass, da Gott vollkommen rein ist, man nicht mit Gott komplett vereint sein könne, wenn man selbst noch etwas Unreines an sich hat. Wir müssen also „heilig“ werden, d.h. alles ablegen, was uns von Gott trennt. Dazu haben wir eine Lebensspanne lang Zeit. Aber was, wenn wir es nicht schaffen? Wenn der Seele im Sterben noch eine Menge Schmutz anhaftet, obwohl es ihr natürlich unglaublich leid tut? Dann hat sie im Purgatorium (der offizielle Name des Fegefeuers: Reinigungsort) die Möglichkeit dazu, rein zu werden. 
Wer einmal etwas bereut hat, der weiß, dass Reue ein brennendes, unangenehmes und schmerzendes Gefühl ist. Darum verbinden wir den Begriff des Purgatoriums mit dem Feuer: Feuer reinigt und tut weh, und das tut es eben auch, wenn wir merken, wie sehr wir noch von Gott entfernt sind. Der Schmerz, den wir dann verspüren ist nicht ein von außen zugefügter, sondern der innere Schmerz, den wir verspüren, weil wir Gott lieben und zu ihm wollen, aber noch nicht können, weil uns noch zu viel von der kompletten Hingabe und der vollkommenen Liebe abhält. Je intensiver wir bereuen, desto mehr wird aus uns ausgemerzt, was uns von Gott trennt. Es kann also sein, dass schon im Leben nach der Reue kein bisschen von den Konsequenzen der Sünde an uns hängen bleibt. Wir gehen umgewandelt daraus hervor.


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Es ist wichtig, dies zu verstehen: Das Fegefeuer ist ein Segen, denn gäbe es diesen Ort nicht, müssten alle Seelen, die nicht während ihres Lebens vollkommen rein werden, in die Verdammung eingehen, nicht, weil Gott sie strafen willl, sondern, weil sie selbst (noch) nicht vollkommen „ja“ zu Gott sagen können. Der Ablass beschleunigt den Vorgang, der, um es in kuschelpädagogischer nachkonziliarer Friede-Freude-Eierkuchen-Diktion zu sagen: „…aus unserem Nein ein Ja macht“. Er verkürzt also die Zeit, die wir in der Läuterung verbringen müssen.







Voraussetzung für einen Ablass ist also nun logischerweise, dass man seine Sünden bereut und gültig gebeichtet hat. Dann kann man aus dem „Schatz der Kirche“ (der Fonds, in den alle Heiligen eingezahlt haben) in Anspruch nehmen, dass man die Sündenstrafe, die aus der Sünde resultiert, nicht mehr abbüßen muss bzw. durch das Ablasswerk (ein Gebet, ein frommes Werk) sozusagen sinnbildlich erbracht hat, tatsächlich dann aber durch die Großzügigkeit der Kirche.







Wenn also irgendwer behauptet, Ablass sei Vergebung der Sünden für Geld oder ein gutes Werk, der hat einfach keine Ahnung, wovon er redet!
 Die Sünde wird nur durch einen vergeben, durch Gott und nur durch eine Einrichtung, die sakramentale Beichte, die er selbst eingesetzt hat (wie übrigens auch Lutheraner bekennen sollten, sonst sind sie keine waschechten Lutheraner, aber die gibt es ohnehin nur selten).






Ablass ist das Gegenteil von Werkgerechtigkeit





Häufig wird dabei kritisiert, dass man durch den Ablass lehre, dass der Mensch durch eigenen Verdienst Vergebung erlangen könne. Das ist wie gesagt falsch, denn die Vergebung ist ja nicht an den Ablass, sondern an Reue und Beichte geknüpft. Aber es ist sogar falsch, zu meinen, der Ablass lege den Akzent auf die eigenen Werke. Das Gegenteil ist der Fall.







Nehmen wir einmal an, ich hätte mir als Sühneleistung für eine Sünde etwas richtig Heftiges auferlegt. Ich faste ein Jahr lang bei Wasser und Brot. Danach würde ich mich ja wohl richtig gut und fromm fühlen, nicht wahr? Ich habe eine Buße vollbracht, die es in sich hat. Man, bin ich heilig.
 Das ist eine Gefahr, der alle ausgesetzt sind, die ihre eigene Sünde ernst nehmen. Der Ablass nun verdeutlicht mir, dass meine Fähigkeit, für eine Sünde Reparation zu leisten, eine Gnade Gottes ist, wie die Vergebung selbst. Wenn ich etwa für einen Ablass eine Kirche besuche und zwei, drei kleine Gebete spreche, habe ich objektiv viel weniger geleistet und doch mehr erhalten, weil ich mich mehr auf die Gnade verlasse und weniger auf meine Bußleistung.







Außerdem kann ich die allermeisten Konsequenzen der Sünde ohnehin aus eigener Kraft nicht vollständig beheben, bin also auch nach der Vergebung auf Gottes Hilfe angewiesen. Das hört sich erst einmal nicht so nett an. Man bedenke aber z.B., dass ja Sünden auch Auswirkungen auf die Psyche haben. Da kann es sein, dass ich mustergültig bereut habe, aber in mir ist doch etwas zerbrochen, das ich selbst nicht wiederherstellen kann. Es geht also nicht darum, dass Gott etwas an Sünde zurückbehält, wie gesagt, die Sünde ist komplett weg, aber Sünde ist nicht das einzige Übel, nicht das einzige Problem, mit dem wir kämpfen.







Exkurs: Dies ist auch ein Grund, wieso man um nichts in der Welt auf die katholische Lehre, die exakt zwischen Sünde, Schuld, Strafe etc. unterscheidet, verzichten darf. Wenn man hier vereinfacht, kommt man bei Konzepten heraus, die uns das Leben schwer machen, weil sie unrealistisch sind. So etwa gibt es in manchen protestantischen Kreisen die Vorstellung, mit Gottes Vergebung seien alle Probleme getilgt – und sollte jemand dann noch ein Problem haben, etwa, weil er ganz einfach spürt, dass da noch etwas ist, was nicht weg ist durch die Vergebung, wird daraus geschlossen, dann habe Gott eben noch nicht vergeben, oder man selbst habe nicht bereut, oder man habe eben nicht genug Glauben. Da stehen die Pforten zur religiösen Psychose weit offen!











Also, anstatt mir vorzugaukeln, ich könne alle Fenster, die ich zerschossen habe, selbst reparieren, mir dann etwas darauf einbilden und auf die Strafe pfeifen, vertraue ich mich auch in Sühne und Läuterung völlig seiner Macht und seiner Kirche an, und nicht meinen eigenen Bußübungen, Sühneleistungen oder Reparationen- weniger Werkgerechtigkeit geht nicht!











Zurück zur Historie: Luther hat nicht gegen den Ablass gepredigt. Als Sankt Peter neu gebaut werden sollte, wurden Ablässe gegen Geld gegeben. Und es gab Ablassprediger, die beim Geldsammeln dann deutlich über das Ziel hinausgeschossen sind. Grundsätzlich kann natürlich auch Geld geben ein gutes Werk sein – und nicht einmal das Leichteste! Wer will es denn schon loswerden? Allerdings ging es soweit, dass behauptet wurde, das Ablasswerk genüge. Die anderen Bedingungen, etwa Reue, wurden unterschlagen. Luther war gegen unkorrekte Unterweisung der Gläubigen in Sachen Ablass und dagegen, dass sich Kirchenfürsten darüber bereicherten– dagegen war die Kirche übrigens auch, und schärfte ihren Leuten ein, dass man die Menschen richtig belehren solle. Aber wie so oft – als Deutsche wissen wir es nur allzugut – machen die Kirchenleute diesseits der Alpen gern, was sie wollen, egal, was Rom ihnen sagt."









(Erklärung einer Konvertitin, 2016)


Ablass für Verstorbene:

Mitwirkung am Heil


Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen und da die Diebe nachgraben und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost fressen und da die Diebe nicht nachgraben noch stehlen. (Mt 6, 19-20)


Im ersten Artikel ging es um die Rede der Kirche von einem „Gnadenschatz“ (eigentlich „Kirchenschatz&ldquozwinkerndes Smiley. Kritik daran entzündet sich u.a. daran, dass durch das gewählte Sprachbild der Eindruck von quantifizierbarem Besitz entsteht. Wenn man sich auf diese Sprachebene aber einlässt, so kann man an der konkreten Lehre, wie sie etwa im Katechismus dargelegt ist, unschwer erkennen, dass diese Einwände nicht haltbar sind bei korrektem Verständnis der Begriffe, zumal diese durch Christus und die Schrift bestens legitimiert sind.
 So ist der eigentliche Knackpunkt ein anderer: Wir verstehen nicht nur Christi Verdienst als Stiftung dieses „Schatzes“, wir glauben auch, dass Maria und die Heiligen selbst „Verdienst“ in diesen Schatz eingebracht haben – und damit, dass auch wir in diesen „Fonds“ einzahlen können. Dies bedeutet, dass wir nicht „nur“ Empfänger der Gnade Christi sind, sondern am Heil in irgendeiner Weise mitwirken. Wen dieser Gedanke nicht gruselt, der ist kein Protestant.
Zur Beruhigung schon einmal vorweg: Verdienst abseits von Christus gibt es nicht.

Als ich begann, mich mit diesem Thema eingehender zu beschäftigen, bemerkte ich, dass es für mich als Ex-Lutheranerin eine große Hürde war, überhaupt den Gedanken zuzulassen, der Mensch habe mit seinem Heil etwas zu tun. Ist das nicht spannend? Obwohl ich in dem festen Vertrauen auf die Lehre der katholischen Kirche konvertiert bin, obwohl die Anrufung der Heiligen und der Erwerb von Ablässen seit meiner Konversion zu meinem geistlichen Alltag gehören, ist dieser Gedanke emotional immer noch mit dem Stigma „Werkgerechtigkeit“ oder „Selbsterlösung“ behaftet, so tief sitzt das lutherische Dogma.
Schade, dass es innerhalb der evangelischen Gemeinden nicht hinterfragt wird. Denn dabei handelt es sich kaum um ein religiöses als viel mehr um ein psychologisches Dogma. Ihm zugrunde liegt ein Minderwertigkeitskomplex gepaart mit der panischen Angst, Gottes Ehre zu beschneiden.
Dies führt zu dem Fehlschluss, dass jeder Anteil des Menschen an irgendetwas das Bekenntnis der Allmacht Gottes gefährden würde. Eine solche Sichtweise widerspricht allerdings der heiligen Schrift: Zwar wird zu Recht immer wieder davor gewarnt, sich selbst zu rühmen, da alles von Gott kommt; dies schließt aber nicht zwangsläufig aus, dass der Mensch das, was von Gott kommt, auch nutzen muss/darf/kann, wie es ja die ganze Schrift durchzieht. Und wenn ein Mensch dies tut, kann er auch gerühmt werden – so lobt Christus durchaus jene, die Verständigkeit in Sachen des Glaubens beweisen und verheißt Lohn für gottgemäße Taten.
In letzter Konsequenz mündet die protestantische Lehre in einer Art Puppenspieler-Gott, dessen Spielzeug – wir – keinerlei echte, freie Interaktion mit ihm haben kann.


IV. Die Mitwirkung am Heil

Katholiken gehen davon aus, dass Christen am Heil mitwirken. Wieso meinen wir das?
Nun, ehrlich gesagt müssten Protestanten erklären, wie sie darauf kommen, dass es nicht so sei. Wenn Christen Bibeln nach China schmuggeln, in der Fußgängerzone Menschen mit dem Evangelium konfrontieren oder bei Tisch mit ihren Kindern beten, dann wirken sie als Gottes Arbeiter in seinem Weinberg am Heil anderer mit.
Das ist so selbstverständlich, dass man sich wundert, darauf hinweisen zu müssen.

Die heilige Schrift weist immer wieder eindringlich darauf hin, wie wichtig unsere Werke sind. Zuerst einmal ist es Christus, der z.B. im Gleichnis vom Feigenbaum oder in dem von den Böcken und Schafen deutlich macht, dass unser Tun Einfluss auf unsere Erlösung hat.
Da Protestantismus aber generell dazu neigt, zu verabsolutieren, stellt er die katholische Sichtweise, dass wir mitwirken an der Erlösung, als Selbsterlösung dar – was natürlich auch aus katholischer Sicht schlicht eine Häresie ist.
Auch der Jakobusbrief (den Luther diffamiert, weil er seiner eigenen Lehre widerspricht – wie war das noch, mit sola scriptura?) erläutert die Bedeutung der Werke zum Heil.
Ein Protestant jeglicher Konfession müsste also erläutern, wie er Jesu eigene Worte weginterpretieren kann um daran festhalten zu können, dass die Werke unerheblich seien.

Dabei lässt sich ein Missverständnis schnell ausräumen: Auch Katholiken bekennen, dass die erste „wirksame“ Zuwendung immer die Gottes zum Menschen ist. Sie verabsolutieren diese einfache Erkenntnis aber nicht, indem sie in das Extrem verfielen, dass deshalb die Hinwendung des Menschen zu Gott gar nichts sei. Da nun aber der Protestantismus dieses Extrem vertritt, wird automatisch vermutet, Katholiken verträten die gegenteilige Ansicht. Das tun sie aber nicht. Nun glauben Protestanten dieses Extrem, weil, reflektiert oder nicht, protestantische Lehre den freien Willen ablehnt – das ist natürlich vielen Protestanten heute nicht mehr explizit bewusst, hat aber großen Einfluss auf implizite Glaubenseinstellungen.


Daraus, dass der Mensch einen freien Willen hat, ergibt sich auch eine Mitwirkungsfähigkeit des Menschen an Gottes Werk: Er kann sich dem Wirken Gottes öffnen und sich instrumentalisieren lassen, oder sich von der Gnade abwenden.

Nimmt er sie tatsächlich an, müssen daraus „gute Früchte“ folgen, denn wer das Gute ganz annimmt, kann nicht Schlechtes tun (wollen).
Daraus folgern nun Protestanten eine Art Zwang zum Guten: Hast du Christus angenommen, folgen die (guten) Werke automatisch; da man Gott nur annehmen kann, wenn dieser einem die Gnade dazu schenkt, bleibt am Ende kein Verdienst.

Das ist nicht komplett falsch, oder sagen wir, es ist gefühlt richtig: Die Gnade Gottes kann so überwältigend sein, dass man tatsächlich das Gefühl hat, zum Guten „gezwungen“ zu sein. Man „kann gar nicht anders“. Da der Mensch aber nun einmal einen freien Willen hat, kann er sehr wohl gegen diese Gnade handeln – und tut es auch ständig. Wenn wir aber so, wie wir ablehnen können, auch annehmen können, dann steckt in dieser Annahme auch ein Verdienst.
Niemand würde behaupten, einer Mutter, die für ihre Familie sorgt, oder einem Feuerwehrmann, der ein Menschenleben rettet, gebühre kein Dank, schließlich täten diese Menschen ja nur, was ohnehin ihre Aufgabe sei, die sie willentlich und wissentlich angenommen hätten und sie könnten ja gar nicht anders als diese zu erfüllen.

Dies widerspräche auch dem inneren Ringen des Menschen um das Gute: Wer kennt nicht Versuchungen? Und ist es gleichgültig, ob ich ihnen nachgehe oder nicht? Das würde wohl kaum dem Ernst der Sünde gerecht: Wenn es egal wäre, wäre es ein Hohn, dass Christus sich dafür hingegeben hat. Was zum zweiten Aspekt führt: Wir sehen unseren Verdienst als Mitverdienst „in, mit und durch“ Christus: Er ist nicht wirksam aus uns heraus, sondern, weil wir als Getaufte im Gnadenstand Teil des Leibes Christi sind. Es gibt sozusagen zwischen Christus und den Seelen, die ihn angenommen haben, keine Gütertrennung, wir sind ein Leib.


Als ich noch evangelisch war, war mir die diesbezüglich unangenehmste Bibelstelle ein Vers aus dem Kolosserbrief:Nun freue ich mich in den Leiden, die ich für euch leide, und erfülle durch mein Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt, für seinen Leib, das ist die Gemeinde. (Kol 1,24).


Ich habe nie erlebt, dass ein Prediger sie schlüssig hätte erklären können. Es wurde stets nur gesagt, dass dies keinesfalls bedeuten könne, dass an den Verdiensten Christi noch etwas fehle – aber nun, was bedeutet es dann? Es kann natürlich nicht im Sinne einer Selbsterlösung bedeuten, dass das i-Tüpfelchen des Erlösungswirkens in unseren eigenen Werken bestünde. Etwas komplizierter, aber wie ich finde verständlicher übersetzt die Elberfelder: Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch, was noch aussteht von den Bedrängnissen des Christus für seinen Leib, das ist die Gemeinde.


Es ist also nicht so, dass die Erlösung noch unvollkommen sei, sondern es ist vielmehr so, dass sie, solange die Welt besteht, „im Sein begriffen ist“ – ein jeder, der getauft wird, ist ja nicht schon vor der Taufe gerettet, sondern durch die Taufe. Und da wir nun Teil des Leibes Christi sind, haben wir auch Anteil an dem Leiden, die dieser Leib um der Erlösung willen erträgt.

Dass Christus uns so sehr liebt, dass er uns ganz praktisch Anteil geben will, als Mitarbeiter, ja, Miterlöser, sagen wir es ruhig ganz mutig, dass er uns für würdig befindet, mit ihm und in ihm zu leiden, das entspricht der Würde der Gottesebenbildlichkeit und der Logik der Gotteskindschaft als Christi Brüder und Miterben. Wäre unser Leiden, das ja faktisch da ist und nicht wegdiskutiert werden kann, nicht wirksam, müsste man sich fragen, ob Gott sadistisch ist, dass er den Menschen wahrhaft umsonst leiden ließe. Ist es aber wirksam, ist es auch verdienstvoll.

Kommen wir zurück zum Ausgangspunkt dieser Überlegungen: Wenn wir davon ausgehen, dass Gott die Liebe ist und daher den Menschen mit einem freien Willen geschaffen hat (der, selbst wenn er durch die Erbsünde vollkommen zerstört worden wäre, durch die Taufe wiederhergestellt sein müsste!), der zu Gottes Erlösungswirken Ja oder Nein sagen kann (nachdem sich dieser in Form der Gnade Christi dem Menschen zuerst zugewandt hat um ihn wirksam zu erlösen), und wir also daher meinen, dass der Mensch einen Anteil am Guten habe, dass er darüber hinaus als Getaufter in Christus ist und so auch an dessen Verdiensten teil hat, dann ergibt sich daraus, dass ein Mensch in, durch und mit Christus wirksam „Verdienst“ erwerben kann. Dieser Verdienst steht Gottes Gnade nicht gegenüber oder bewirkt sie, sondern geht aus ihr hervor. Christen empfangen aus diesem gemeinsamen Gut kraft der Gemeinschaft der Heiligen, die ja Gemeinschaft in Christus ist."

Kommentare

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Klavierspielerin2 08.01.2020 16:17
Information für Katholiken und Interessierte.
 
hansfeuerstein 09.01.2020 00:41
Schon nach wenigen Jahrzehnten wissen die Zeitgenossen oft so gut wie Nichts mehr über den tatsächlichen Ablauf von Ereignissen vergangener Generationen, das ist ein interressantes Phänomen. Es verbreiten sich Zerrbilder dann viel leichter als tatsächliches Wissen.
 
Klavierspielerin2 15.11.2021 09:13
"denn der Tag wird [es] erweisen, weil [er] sich mit Feuer offenbart. Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, das wird das Feuer zeigen. 14 Wenn jemandes Werk, das er darauf baute, Bestand haben wird, so wird er Lohn empfangen. 15 Wenn aber jemandes Werk verbrennen wird, so wird er Schaden erleiden; er selbst aber wird gerettet werden, jedoch so wie durch[s] Feuer hindurch...."

1 Kor 3,10-17: 10 Gemäß der Gnade (des) Gottes, die mir verliehen wurde, habe ich als weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf weiter baut. 11 Denn einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 12 Wenn aber jemand auf den Grund Gold, Silber, kostbare Steine, Holz, Heu, Stroh baut, 13 so wird eines jeden Werk offenbar werden; denn der Tag wird [es] erweisen, weil [er] sich mit Feuer offenbart. Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, das wird das Feuer zeigen. 14 Wenn jemandes Werk, das er darauf baute, Bestand haben wird, so wird er Lohn empfangen. 15 Wenn aber jemandes Werk verbrennen wird, so wird er Schaden erleiden; er selbst aber wird gerettet werden, jedoch so wie durch[s] Feuer hindurch. 16 Wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist (des) Gottes in euch wohnt? 17 Wenn jemand den Tempel (des) Gottes zugrunde richtet, so wird Gott denjenigen zugrunde richten; denn [der] Tempel (des) Gottes ist heilig - [und] das seid ihr!
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