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Kurschus-Rücktritt: Verlust für die Ökumene

Kurschus-Rücktritt: Verlust für die Ökumene
Der Leiter des katholischen Büros NRW, Antonius Hamers, bedauert den Rücktritt von Annette Kurschus von Spitzenämtern in der Evangelischen Kirche. Der Verlust für die Zusammenarbeit katholischer und evangelischer Kirche sei immens, sagt er im Interview mit dem Domradio..


DOMRADIO.DE: Was genau wirft man Annette Kurschus vor?

Dr. Antonius Hamers (Leiter des katholischen Büros NRW): Es geht um Vorwürfe aus den 90er Jahren. Es geht darum, dass ein Mitarbeiter des Siegener Kirchenkreises gegenüber jungen Männern sexuelle Übergriffe vorgenommen hat. Frau Kurschus ist damals als Kollegin darüber informiert worden.

Jetzt stellt sich die Frage, ob sie damals und vor allem auch im Nachgang in einer angemessenen Weise damit umgegangen ist. Hat sie diese Vorwürfe aufgegriffen oder hat sie damals und auch heute vertuscht? Und wie hätte eine angemessene und eine gute Weise des Umgangs damit ausgesehen?

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie den Rücktritt von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und westfälische Präses?


„Es ging ihr darum, Schaden von der evangelischen Kirche (EKD) abwenden.“


Hamers: Ich habe die persönliche Erklärung von Frau Kurschus gehört. Da ging es ihr vor allem darum, Schaden von der Evangelischen Kirche (EKD) abzuwenden, gerade auch im Hinblick darauf, dass die EKD zu Beginn des nächsten Jahres ihren Missbrauchsbericht vorlegen wird.

Da ist es natürlich schwierig, wenn jemand, der selber dem Vertuschungs-Vorwurf ausgesetzt ist, an der Spitze der Organisation steht und damit auch mit ein Gesicht für diesen Aufarbeitungsprozess ist.

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten als Leiter des Katholischen Büros NRW eng mit der Landespolitik und auch mit der evangelischen Seite zusammen. Wie haben Sie persönlich Frau Kurschus in diesem Zusammenhang erlebt?

Hamers: Ich schätze Frau Kurschus persönlich sehr. Ich habe sie als sehr profunde Theologin kennengelernt. Sie ist eine hoch integre Persönlichkeit und eine überzeugte Ökumenikerin. Insofern ist das für uns auch auf nordrhein-westfälischer Ebene auf jeden Fall ein Verlust, wenn Frau Kurschus jetzt vor allem nicht mehr westfälische Präses ist.

DOMRADIO.DE: Ist der Rücktritt trotzdem angemessen?

Hamers: Das ist als Außenstehender immer sehr schwer zu beurteilen. Sie hat es sich offensichtlich mit dieser Entscheidung nicht leicht gemacht. Wenn man ihre Worte, wenn man ihre Erklärung verfolgt hat, war es schon bewegend. Gerade, weil sie es sich nicht leicht gemacht hat.

Ob das angemessen war, sei dahingestellt. Das kann ich nicht sagen. Dazu kenne ich wiederum auch zu wenige Hintergründe.

Schade finde ich, dass es wie so häufig bei Vertuschungsgeschehen vor allem um die Kommunikation geht. Natürlich ist man im Nachgang immer klüger. Aber ich hätte mir gewünscht, dass besser kommuniziert worden wäre, dann wäre dieser Rücktritt vielleicht überflüssig gewesen.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet der Rücktritt für die Evangelische Kirche? Welche Führungspersönlichkeit verliert sie dadurch?

[ Das ist ein sehr schwerer Schlag. ]

Hamers: Das ist ein sehr schwerer Schlag für die EKD, aber vor allem auch für die westfälische Landeskirche. Gerade in der westfälischen Landeskirche hatte Frau Kurschus nach meinem Dafürhalten einen sehr großen Rückhalt und eine sehr hohe Akzeptanz.
Das ist insofern sowohl für die Landeskirche wie für die EKD eine schwierige Situation. Natürlich ist es auch eine Herausforderung, jemanden zu finden, der diese Aufgabe gerade im Blick auf die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs übernehmen kann. Das wird schwer. Und im nächsten Jahr steht der große Untersuchungsbericht für die EKD in dieser Frage an.

DOMRADIO.DE: Gibt es jetzt schon Anwärter? Wer könnte den Platz von Annette Kurschus als Ratsvorsitzender oder Ratsvorsitzende einnehmen?

Hamers: Kirsten Fehrs übernimmt zumindest jetzt kommissarisch den Vorsitz. Damit ist sie wahrscheinlich auch eine der Anwärterinnen.

Das Interview führte Dagmar Peters.

(domradio - mg)

*Zur aktuellen Situation (aktualisiert am 21. November, um 14.45 Uhr): 

Nach dem Kurschus-Rücktritt leitet Kirsten Fehrs die EKD

Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus steht Kirsten Fehrs kommissarisch an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt hat die Hamburgerin bereits Erfahrung. Als Kirsten Fehrs 2011 Bischöfin in Hamburg wurde, war ihre Vorgängerin Maria Jepsen wegen eines Missbrauchsfalls zurückgetreten. Ihr wurde vorgeworfen, über Fälle sexualisierter Gewalt in einer Kirchengemeinde informiert worden zu sein, ohne ausreichende Konsequenzen gezogen zu haben. Nun übernimmt Fehrs kommissarisch auch den Vorsitz des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und beerbt eine Frau, der es ähnlich wie Jepsen ging: Annette Kurschus geriet wegen möglicher Vertuschung eines Falls sexuell übergriffigen Fehlverhaltens massiv unter Druck und legte am Montag ihre Kirchenämter nieder.Die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt dürfte Fehrs, die bisher stellvertretende Ratsvorsitzende war, in ihrem neuen Amt weiter beschäftigen.

(kna - mg)

Kommentare

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hansfeuerstein 21.11.2023 16:57
In den Kirchen treten immer vorgesetzte Leute zurück, wofür andernorts nicht einmal die Täter selber belangt werden....
 
(Nutzer gelöscht) 21.11.2023 17:22
Die Ökumene ist wichtig, daher ist es immer Schade wenn Menschen die sich dort engagieren gehen.
 
(Nutzer gelöscht) 21.11.2023 17:58
Es war höchste Zeit, dass sie ging.
 
(Nutzer gelöscht) 21.11.2023 19:38
Bei Dir ist wohl schon Fasching, wenn ich mir den Foto so anschaulachendes Smiley
 
done 21.11.2023 19:40
fischerkönigstochter
 
Klavierspielerin2 22.11.2023 18:34
EKD HABE ZU ÜBERSTÜRZT AUF DEN MEDIALEN DRUCK REAGIERT

Nach Rücktritt: Theologe kritisiert Kirche im Fall Kurschus

VERÖFFENTLICHT AM 22.11.2023


KÖLN ‐ Annette Kurschus habe kommunikativ sicherlich nicht alles richtig gemacht: Aber "ist das ein Grund, so im Hauruck-Verfahren zu sagen: Jetzt hat die Frau kein Vertrauen mehr?", kritisiert Theologe Peter Dabrock.

Der evangelische Theologe Peter Dabrock fordert, aus dem Rücktritt von Annette Kurschus als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Lehren zu ziehen. Die EKD habe zu überstürzt auf den medialen Druck reagiert, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk. "Wir müssen lernen, uns in Zukunft nicht von solchen Erregungen mitreißen zu lassen."

Kurschus habe, so Dabrock, kommunikativ sicherlich nicht alles richtig gemacht. "Ist das ein Grund, so im Hauruck-Verfahren zu sagen: Jetzt hat die Frau kein Vertrauen mehr?" Es hätten alle Beteiligten miteinander sprechen sollen, bevor man das Thema auf einer Synode bespricht, die ohnehin schon thematisch sehr dicht gewesen sei, so Dabrock. Nur so ließe sich Vertrauen in die Kirche zurückgewinnen. Für die Zukunft wünscht sich der Theologe eine Balance von schonungsloser Aufarbeitung unter Beteiligung Betroffener und rechtsstaatlichen Standards wie der Unschuldsvermutung. "Sonst sehe ich in eine paar Jahren keinen mehr, der in solchen Ämtern Verantwortung übernimmt", so der Professor für Systematische Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Kurschus hatte am Montag ihre Spitzenämter als EKD-Ratvorsitzende und als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen niedergelegt. Nach Recherchen der "Siegener Zeitung" soll sie als Gemeindepfarrerin in Siegen schon Ende der 1990er-Jahre über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen einen Kirchenmitarbeiter informiert gewesen sein, diese aber nicht gemeldet haben. Kurschus wies die Darstellung zurück, sie habe damals etwas vertuscht. (KNA)
 
Klavierspielerin2 06.12.2023 14:14
D: Kurschus-Rücktritt aufarbeiten
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) will die Vorgänge rund um den Rücktritt von Annette Kurschus als Ratsvorsitzende kritisch aufarbeiten.


D: „Großes Bedauern“ nach Kurschus-Rücktritt
„Wir werden einen Weg finden müssen, mit solchen Vorwürfen angemessen umzugehen“, sagte Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich am Dienstag. „Das wird nicht einfach.“ Heinrich äußerte sich bei der digitalen Fortsetzung der Ulmer Synodentagung, die im November wegen eines bevorstehenden Bahnstreiks vorzeitig beendet worden war.

Kurschus war am 20. November als EKD-Ratsvorsitzende und als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) zurückgetreten. Ihr wird vorgeworfen, als Gemeindepfarrerin in Siegen schon Ende der 1990er Jahre über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen einen Kirchenmitarbeiter informiert gewesen zu sein, diese aber nicht gemeldet zu haben. Kurschus wies die Darstellung zurück, legte aber mit Hinweis auf die öffentliche Debatte ihre Ämter nieder. Den Rücktritt hatten zuvor insbesondere die im EKD-Beteiligungsforum organisierten Missbrauchsbetroffenen gefordert.

Annette Kurschus
Annette Kurschus
Heinrich zeigte großen Respekt für den Entschluss von Kurschus. „Ich bedauere es, wenn bei manchen Personen der Eindruck entstanden ist, die Synode, der Rat und ich selbst haben sich nicht hinreichend solidarisch gezeigt.“ Für sie sei immer handlungsleitend gewesen, dass Betroffene und die Aufarbeitung an erster Stelle stehen müssten. Heinrich kündigte an, dass Vertreter des Synodenpräsidiums und des Rates der EKD in die Arbeitsgruppen der Synode kommen wollen, um auch selbstkritisch über die Ereignisse zu sprechen.

„Bedrückend“ und „beschämend“
Die kommissarische EKD-Ratsvorsitzende und Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs erklärte, der Rat der EKD wolle den eingeschlagenen Weg der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt weiter voranbringen. Sie empfinde es als „bedrückend“ und „beschämend“, dass es nach dem Rücktritt von Kurschus Druck aus dem kirchlichen Raum auf Betroffenenvertreter gegeben habe.

Fehrs erinnerte an die am 25. Januar geplante Vorstellung einer Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche. Sie werde „umfassend wie nie zuvor die Dimensionen sexualisierter Gewalt“ aufzeigen. Für sie komme es darauf an, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. „Es gilt, nach vorn zu schauen, aber nicht, ohne kritisch die Problemlagen und Konstellationen, die zum Rücktritt geführt haben, zu analysieren.“ Gerade die Kommunikation rund um den Rücktritt habe gar nicht funktioniert.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) erklärte, der Rücktritt von Kurschus sei nötig gewesen. Denn es sei um die Frage gegangen, ob die Kirche künftig ein Ort sein könne, an dem sich die Betroffenen mit vollem Rückhalt melden könnten.

(kna – sk)
 
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