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Häretiker des Monats

Häretiker des Monats 
Von Peter Winnemöller

18. Januar 2020

Sie nannten ihn den Erzketzer. Er war wahrlich nicht der erste Irrlehrer der jungen Kirche. Schon der erste Johnnesbrief kannte solche, mit denen die Gemeinde um die Wahrheit stritt. Markions Ketzerei war offensichtlich so dramatisch, dass sie alles bisher Dagewesene übertraf. So mag sich der Titel Erzketzer erklären lassen. Eusebius von Caesarea und Irenäus von Lyon erwähnen ihn. Tertullian widmet ihm mit "adversus marcionem" sogar eine eigene Schrift. Darin setzt sich der Kirchenvater sehr genau mit den Irrlehren Markions auseinander und widerlegt sie. Das mag den Rang des Irrlehrers zeigen, wenn sich die theologische Prominenz der Antike mit ihm beschäftigt.

Es gibt nur wenige biografische Daten über Markion, der zuweilen auch Marcion geschrieben wird. Er wurde im Jahr 85 in der Stadt Sinupe in der Provinz Pontus (heute Sinup, Türkei) geboren. Sein Konflikt mit der Kirche begann schon früh. Einige Quellen berichten, Markion sei von seinem eigenen Vater, dem Bischof von Sinupe, wegen theologischer Differenzen exkommuniziert worden. Dagegen spricht, dass er lange Zeit in der Gemeinde von Rom ein anerkanntes Mitglied war. Eine Exkommunikation hätte in der Zeit bekannt werden müssen. Im Jahr 139 kam Markion nach Rom. Er war zu dieser Zeit als Reeder bereits geschäftlich erfolgreich und spendete der Gemeinde einen Teil seines Vermögens. Fünf Jahre war Markion unauffälliges Mitglied der Gemeinde in Rom. Im Jahr 144 stellt er den ältesten seine Lehre vor und der Konflikt nimmt seinen Lauf.

Bei Eusebius von Cesarea lesen wir in dessen Kirchengeschichte, Markion habe Polykarp von Smyrna getroffen. Markion wollte von diesem als rechtgläubig anerkannt werden. Der Heilige habe ihm jedoch gesagt: "Ich erkenne an, ich erkenne an den Erstgeborenen Satans!"

Das ist starker Tobak. Heutigen Ohren scheint es oft nicht einmal mehr zumutbar, jemanden einen Sünder zu nennen. Mehr noch gilt es in unseren Tagen schon fast als anrüchig, einen Irrtum als solchen zu entlarven. Das wird nicht selten als Hass interpretiert. Die Kirchenväter sind weniger zart besaitet, denn der Streit für die Wahrheit lässt ihnen keine Nachgiebigkeit zu. Es ist auch aus heutiger Sicht nicht harmlos, was Markion lehrte. Er behauptete die Existenz zweier Götter. Der eine, ein Demiurg, habe Himmel und Erde geschaffen. Auch die Erschaffung des Bösen gehe auf sein Konto. Die Schöpfung sieht er als schlecht und verdorben an. Alles geschaffene gehört dazu, also auch der Mensch, der nach Markion in Dreck und Kot geboren wird.

Demgegenüber stellt er den guten Gott Jesu Christi, der Güte und Erlösung bringt. Der Erzketzer Markion ist antijüdisch und gnostisch. Gnostik war in der Antike sehr angesagt. Selbst in unseren Tagen scheint Sonder- und Geheimwissen über den Glauben seinen Charme nicht verloren zu haben. Auch die Irrlehrer im ersten Johannesbrief "gnostizieren" munter vor sich hin. Sie bestreiten, dass der Mensch Jesus der Christus, der Erlöser ist. Das heißt unterm Strich nichts weniger als die Leugnung der Menschwerdung Gottes. In einem gnostischen Dualismus, den in ähnlicher Weise auch Markion vertritt, stehen sich ein böser Schöpfergott und ein guter Erlösergott gegenüber. Es stehen sich in Folge guter Geist und böse Materie gegenüber. So kann der Erlöser nicht Fleisch, welches ja verdorbene Materie ist, angenommen haben. Dies stellt eine extreme Form der Leibfeindlichkeit, ja des Selbsthass auf alles Materielle dar. 

Die Quelle für Markions Irrtum ist eine Fehlinterpretation des Galaterbriefes und des Römerbriefes. Bei Tertullian ist es das Gleichnis vom guten Baum, der keine schlechten Früchte bringt (vgl. LK 6,43ff). Hier erkennt der Irrlehrer, dass Jesus Christus einen ganz neuen anderen Gott verkündet haben soll. Der Gott es Alten Testaments steht für ihn im vollkommenen Gegensatz zum Erlösergott. Daher lehnt Markion das gesamte Alte Testament ab. Für die Christen galt selbstverständlich als Heilige Schrift. Vom Gesetz über die Propheten, die Psalmen sowie die Weisheitsschriften und die Geschichtsliteratur wurde von der jungen Kirche alles auf das Kommen Christi hin ausgelegt. Markion lehnt dies ebenso ab, wie die Pastoralbriefe des Hl. Paulus. Er reinigt das Evangelium, reduziert es auf Lukas und tilgt alles Jüdische daraus. Als er der Gemeinde seine Lehre vorstellt ist das Entsetzen groß. Markion wird exkommuniziert und ausgestoßen. Selbst die Spende wird ihm zurückerstattet. Man will nicht einmal etwas von seinem Geld. Das mag die Erschütterung zeigen. Doch die Faszination, die er ausübt, führt wie so oft in der Geschichte zu einer Spaltung. Eine markionitische Gemeinschaft etabliert und verbreitet sich über die ganze bekannte Welt der Antike. 

Markion zeigt etwas, das Irrlehrer aller Tage aufzeigen. Die Kirche setzt den wahren Glauben immer als gegeben voraus. Niemals nimmt die Kirche von sich aus verbindliche Definitionen vor. Solange eine Wahrheit nicht bestritten wird, gibt es keinen Grund zu handeln. Dennoch dauerte es noch Jahrhunderte bis die dritte Synode von Karthago im Jahr 397 den heute bekannten Kanon definierte. 

Kommentare

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hansfeuerstein 11.03.2023 14:36
Kluge Leute damals.
 
Klavierspielerin2 11.03.2023 17:35
Nicht weg ducken😄

Wo hast du deine Infos her?
 Sag's!🕵️
 
Klavierspielerin2 11.03.2023 18:12
Du weißt ja, wir sollen alles prüfen😉

Peter Winnemöller ist für " Die Tagespost" tätig.
 
Klavierspielerin2 11.03.2023 18:14
Ich bin jetzt bei der Vorabend Messe - hetz' weg..morgen wieder da🙋
 
hansfeuerstein 11.03.2023 22:25
Angesichts markionitisch gnostischer Tendenzen, das Alte Testament preiszugeben, erkannten die Kirchenväter die darin liegende Gefahr, dass ein, von seinen alttestamentlichen Wurzeln losgelöstes Evangelium zu einem geschichtslosen Mythos würde.
 
hansfeuerstein 11.03.2023 22:42
Hatte bereits Irenäus die Bibelhermeneutig grundsätzlich richtig situiert, idem er der Schrift als Offenbarungszeugnis im unfassenes Kontext der Tradition betrachtete und die Auslegungskompetenz für das biblisch bezeugte Gotteswort der Kirche zuwies, so präzisierte Tertullian argumentativ, inwiefern der Kirche als Entstehungs- und Lebensraum dieses Zeugnisses eine Priorität vor der Schrift zukam, die nur in der Kirche, nicht gegen die Kirche, Schrift sein kann. Tertullian hatte erkannt, dass die wichtigste und gefährlichste Waffe der Gnostiker und Markioniten im Kampf gegen die Katholiken ebenfalls die Bibel war. Schon, dass sie es überhaupt wagten, sich auf die Schrift zu berufen, beeindruckte manche Christen. Verstanden sie es schliesslich, einzelne Bibelstellen dialektisch versiert zugunsten ihrer Position zu gebrauchen, so "ermüden sie die Starken, nehmen die Schwachen für sich ein, und lassen die Durchschnittlichen mit unsicherem Zweifel zurück". Abgesehen von diesen Folgen war Tertullian zutiefst von der Nutzlosigkeit überzeugt, Diskussionen über Glaubensfragen anhand der Schrift austragen zu wollen, wenn diese nicht grundsätzlich als ein Buch der Kirche betrachtet würde. Andernfalls, so in der Kontroverse mit den Gnostikern und Markioniten, beruhe die Diskussion auf einer nur scheinbar identischen Grundlage, da entweder der Schrifttext durch "Hinzufügungen oder Auslassungen nach dem System ihrer Lehre" ein anderer sei, oder die jeweiligen Schriftstellen ganz anders ausgelegt und verstanden würden. Der Rekurs auf die Schrift allein vermochte also über subjektive Meinungen nicht hinauszuführen. Ein ausschliesslich auf das Schriftprinzip gegründetes Christentum hätte sich in den Subjektivismus einzelner Überzeugungen aufgelöst. Die historische Erfahrung lehrte: die zum exclusivem Prinzip erhobene Schrift wurde gerade nicht zur Norm des Einzelnen, vielmehr wurde dadurch das Individuum mit seinen subjektiven Ansichten zur Norm des Schriftverständnisse.
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