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„Warum sind wir so oft enttäscht?“

„Warum sind wir so oft enttäscht?“
Also lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein!
Denn die da schlafen, schlafen bei Nacht, und die da betrunken sind, sind bei Nacht betrunken.
Wir aber, die dem Tag gehören, wollen nüchtern sein, bekleidet mit dem Brustpanzer des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung des Heils. (1.Thess 5:6-8, Elb)


„Warum sind wir so oft enttäscht?“

Wir sind so oft enttäuscht, weil wir uns oft täuschen. Diese Binsenweisheit braucht eine etwas ausführlichere Erklärung. Wo liegen die Täuschungen, denen wir immer wieder verfallen und die dann schmerzhaft entdeckt und verarbeitet werden müssen? Unsere Erwartungen an uns selbst und an andere sind zu hoch angesetzt. Erstaunlicherweise lassen sich selbst ältere und erfahrene Christen noch häufig täuschen und klagen dann später über die Enttäuschungen, auf die sie eigentlich hätten gefaßt sein müssen. Vielleicht ist es eine Eigenart unserer menschlichen Natur, immer wieder zu hoffen, selbst da, wo nichts zu hoffen ist, und zu vertrauen, wo kein Vertrauen angebracht ist.

Welche Einstellung gibt es zwischen den Polen der Resignation und einem naiven Optimismus? Nüchternheit ist die Lebenseinstellung, die Jesus und die Apostel von den Jüngern erwarten. Nüchternheit als Folge echter Sinnesänderung (Buße) bewahrt einerseits vor falschen Hoffnungen und andererseits vor Menschenverachtung. Wie kann die Nüchternheit zu einer positiven Lebenshaltung werden? Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird dem aufmerksamen Leser ein nüchterner Blick für die Weltsituation gegeben. Die gesamte Natur steht unter einem Fluch und damit im Machtbereich des Bösen. Naturwissenschaftler und Philosophen haben dieses „ängstliche Harren der Schöpfung“ (Römer 8) erkannt und beschrieben. Der Kampf um das Dasein, der in allen Bereichen – auch in der Pflanzen- und Tierwelt – erbittert geführt wird, spricht davon eine beredte Sprache. So poetisch und idyllisch die Welt und ihre Natur oft beschrieben werden, so wissen wir doch alle, daß sich hinter manch schöner Fassade ein harter Kampf um das Überleben abspielt. Auch die menschliche Natur steht unter einem Fluch. Je primitiver die Kulturstufe ist, desto ungeschminkter und grausamer wirkt er sich aus.

Was folgern wir aus dieser Erkenntnis? Jesus und das ganze Neue Testament offenbaren mit unerbittliche Klarheit die Unfähigkeit der menschlichen Natur für das Reich Gottes, die Vorliebe des Menschen für die Finsternis, die uns allen innewohnende Tendenz zur Sünde, der Hang, den anderen zu übervorteilen, sich selbst in die bessere Position zu bringen, und, wenn es darauf ankommt, hartnäckig um die Selbsterhaltung zu kämpfen.

Immer wieder erschüttern uns Berichte über die brutale Rücksichtslosigkeit, die sich beispielsweise bei einer „Panik“ zeigt, wo die menschliche Natur ohne die dünne Schicht der Erziehung und der moralischen Haltung durchbricht. Wenn es an das Leben geht, ist der Mensch zu allem fähig. Wir brauchen aber nicht nur solche extremen Erfahrungen, um die Niedrigkeit unserer Natur zu entdecken. Jeder, der einmal ein Stück Analyse seines Unbewußten erlebt hat, kennt das Erschrecken über die Abgründe seiner Seele. Das Wort des Apostels Paulus in Römer 7: „Ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt“, ist keine Übertreibung. Fleisch ist hier nicht gleichbedeutend mit Sexualität, sondern gemeint ist die Gesinnung des natürlichen Menschen. Wer selbst erkannt oder erlebt hat, wozu er fähig ist, sollte eigentlich nicht mehr überrascht sein, wenn er Negatives bei anderen entdeckt. Solche Überraschungen – oder in unserem Zusammenhang Enttäuschungen – sind nur ein Beweis dafür, daß entweder die Selbsterkenntnis noch nicht gründlich genug vorhanden ist oder daß wir vergessen haben, wer wir sind. Es bleibt tatsächlich nichts „zu rühmen“ übrig, wenn man kritisch die menschliche Situation beleuchtet. Das Neue Testament vertritt die Auffassung, daß der Mensch von Natur aus unfähig ist, etwas Gutes zu denken, zu wollen und zu tun.

Es wäre zum Verzweifeln, wenn dieses die letzte Analyse über die Welt und den Menschen wäre. Wir brauchen ein neues Welt- und Menschenbild und daraus resultierend eine Einstellung, die mit Nüchternheit bezeichnet werden kann. Nüchtern ist der Mensch, der weiß, wo er sich befindet. Er erkennt die eigene Lage und die seiner Umwelt und kann klare Entschlüsse fassen. Wer nicht diese klare Einsicht in die Situation hat, wird immer wieder der Versuchung erliegen, von sich und anderen mehr zu erwarten als angemessen wäre. Dieser falsche Erwartungshorizont führt nicht nur zu der notwendigen Enttäuschung, sondern er kann auch dort, wo Positives geschieht – also keine Enttäuschung erfolgt – ein Fehlurteil zur Folge haben.

(Wilhard Becker, „Keine Rolltreppe zum Himmel“ 1973)

Kommentare

 
Zeitzeuge 04.02.2022 10:45
@Tachschoen

Ja, in meinem Leben war es die Sinnesänderung (Buße), die im Heiligen Geist durch die neue Geburt zur Reife gekommen ist.
 
Engelslhaar 04.02.2022 10:59
Das Wort Ent-Täuschung sagt es ja schon, die Täuschung ist aufgehoben, das mag zwar schmerzlich sein, dient aber der Reifung des Glaubens
So gilt das Metanoite, das weit mehr bedeutet als Umkehr:
Kehrt um und tut Buße
 
(Nutzer gelöscht) 04.02.2022 11:13
danke, sehr interessant u. aufschlußreich, dennoch möchte ich ein paar Anmerkungen dazu machen
1) als Glaubende leben wir auch in einer gewissen Zuversicht, Hoffnung auf das was noch nicht ist aber kommen kann, wird(die Bibel ist voll von solchen Beispielen) 
2) siehe 1.Kor. 1. 13 7
3) " Gott vertrauen heißt: sich verlassen auf das was man hofft u. fest damit rechnen was man nicht sehen kann" Henräer 11.1
 
(Nutzer gelöscht) 04.02.2022 17:23
Die beste Strategie sich vor Enttäuschung zu schützen, ist immer mit dem Schlimmste zu rechnen. Pessimismus hat also auch was Positives. 
 
(Nutzer gelöscht) 04.02.2022 17:26
Gerade wenn man Buße tut und umkehrt, denken viele Gott müsse sie dafür belohnen. Leider ist das ein tragischer Trugschluss. 
 
Zeitzeuge 04.02.2022 20:24
@Freueteuch

Danke Dir für die gute Frage, die mich selbst herausgefordert hat, tiefer über das Thema nach zu denken.

Vielleicht hier eine Antwort auf deine Frage zum Zitat:

"Dieser falsche Erwartungshorizont führt nicht nur zu der notwendigen Enttäuschung, sondern er kann auch dort, wo Positives geschieht – also keine Enttäuschung erfolgt – ein Fehlurteil zur Folge haben."


Das schönste Kennzeichen eines Christen ist diese uneingeschränkte Offenheit vor Gott; durch sie kann das Wesen eines Menschen für andere zum Spiegel werden. Wenn der Heilige Geist uns erfüllt, verändert er uns und wir werden durch das Anschauen Gottes wie Spiegel. Wenn jemand die Vollkommenheit Gottes angeschaut hat, kann man das immer erkennen, den man spürt innerlich, dass er das Wesen Gottes selbst widerspiegelt. Sei vorsichtig, dass nichts diesen Spiegel in dir trübt oder verschmutzt. Fast immer ist es etwas Gutes, was ihm den Glanz nimmt – etwas Gutes, aber nicht das Beste.

(Oswald Chambers)
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„Das Bessere dem weniger Guten vorzuziehen,
weil das ‚absolute Gute’ gerade das Böse um so mehr
hervorrufen kann, ist die oft notwendige Selbstbescheidung
des verantwortlich Handelnden."

Dietrich Bonhoeffer, Ethik, DBW 6, S. 221

Wenn das  „absolut Gute” zum Feind des Guten wird

Kaum jemand kann dies besser beschreiben als Dietrich Bonhoeffer, der in seiner Ethik sich selbst immer wieder in diese Situationen geführt sieht. Am „grünen Tisch der Theologie“ hält er die Feindesliebe für unverzichtbar, um dann im Dilemma des Nationalsozialismus das Attentat auf Hitler zu planen. Warum? Weil das „absolut Gute gerade das Böse umso mehr hervorrufen kann“. Das können wir jetzt auf viele Dilemmasituationen unseres Lebens übertragen. Gerade das „absolut Gute“ wird somit zum Feind des Guten, was zu tun ist. 
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Zitate aus dem Netz:

„Das Gute ist der Feind des Besten“

So wie die meisten echten und wahren Dinge oft so einfach sind, dass man sie leicht übersehen und nicht genug wertschätzen kann, wie Luft, Wasser, Liebe und dankbar sein.
Gerade in unserer Jetzigen Zeit der überbordenden Möglichkeiten und Informationen scheint mir die Aussage wieder besonders wert voll als Richtschnur.
Es gibt so viel Gutes… doch dies kann uns davon ablenken das wirklich Beste zu entdecken und so zu einem echten Hindernis werden.
Dieser Tage kommen mir immer wieder die warnenden Worte Jesu in den Sinn, der sagte „am Ende der Zeit wird es viele falsche Heilande geben, sie werden sagen hier ist der Christus, oder da… so dass auch viele Auserwählte abfallen (=einen falschen Weg gehen) werden.“

Ja, ich gebe zu, dass es auch für mich nicht immer einfach ist die Spreu vom Weizen zu trennen, gemeint ist das weniger Nützliche vom Nützlicheren zu trennen. Das hängt eben auch sehr damit zusammen welche Kost für wen die beste ist. So ist Schwarzbrot nichts für ein Baby und Babynahrung vermutlich unbefriedigend für eine ausgereifte Person. Davon spricht auch die Bibel schon, dass unterschiedliche Informationen für unterschiedliche Entwicklungsstufen richtig und stimmig sind. Das macht es unmöglich eine für alle zutreffende Empfehlung auszusprechen.
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Die besondere Heimtücke des Einstellungseffekts liegt jedoch in seinem unbewussten Ablauf. Wir denken nur, wir wären offen für Neues, würden auch mal querdenken und uns von Denkmustern und Traditionen lösen. Dabei sind wir jedoch befangen ohne es zu merken: Am Ende versucht unser Gehirn doch nur unterbewusst auf bekannte und bewährte Muster zurückzugreifen.

Die Vorteile sind zunächst:

- Das spart Energie.
- Und es minimiert Risiken.
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