Ist das Christentum überhaupt eine monotheistische Religion?

Ist das Christentum überhaupt eine monotheistische Religion?
Dogmatiker Bertram Stubenrauch erklärt die Trinität


Frage: Prof. Stubenrauch, Vater, Sohn und Heiliger Geist bilden die göttliche Dreifaltigkeit. Ist das Christentum überhaupt eine monotheistische Religion?

Stubenrauch: Ja, es ist so, und ich halte diese Feststellung für sehr wichtig. Aber der Monotheismus des Christentums hat eine trinitarische Ausprägung. Er zeigt, dass wir uns Gott nicht als einen in sich geschlossenen Machtblock vorstellen müssen, sondern als ein Wesen der Beziehung und der Liebe, ein Wesen, das in sich fruchtbar ist und gerade so der eine Gott bleibt.


Frage: Insbesondere von muslimischer Seite wird Christen oft vorgeworfen, an drei Götter zu glauben. Was kann man in solchen Fällen entgegnen?

Stubenrauch: Man kann auf die Bibel verweisen. Denn dort ist immer nur von einem Gott die Rede. Es treten nie mehrere Götter auf. Das Besondere freilich ist, dass der eine Gott nach dem Erscheinen Jesu von Nazaret nicht mehr anders sichtbar wird und nicht mehr anders wahrgenommen werden kann als im Zusammenhang mit ihm und dem Heiligen Geist. Gott bleibt der eine Gott, handelt und zeigt sich aber in Jesus und im Geist. Es ist wichtig, die Dreifaltigkeit vom Geheimnis Gottes des Vaters her zu denken, nicht als ein raffiniertes Personalgefüge. Theologen im Mittelalter haben versucht, aus dem Begriff Liebe die Trinität abzuleiten. Sie liefen aber Gefahr, aus Gott eine Idee oder eine Wunschvorstellung zu machen, die sich gedanklich beherrschen lässt.


Frage: Deshalb raten Sie zum Rückgriff auf die biblische Überlieferung…

Stubenrauch: Ja, denn die Bibel erzählt einfach von Gottes Großzügigkeit: Gott handelt engagiert, hält nichts zurück und gibt im Sohn und Geist alles, was er hat und was für das Heil der Menschen wichtig ist. Entscheidend ist der Blick zurück, denn das Christentum ist eine historisch begründete Religion. Seine Überzeugungen entstanden nicht am Schreibtisch, sondern sie reflektieren Gotteserlebnisse. Im Alten Testament wird von einem Gott erzählt, der nicht in unnahbarer Transzendenz bleibt, sondern sich für die Menschheit interessiert und einsetzt. Und das Neue Testament wäre gar nicht geschrieben worden, wenn dieser Gott mit dem Auftreten Jesu nicht in einem neuen Licht gesehen worden wäre. Das Neue Testament beschreibt rückblickend, was Menschen durch Jesus über Gott gelernt haben, aber es konstruiert kein neues Gottesbild. Es führt weiter, was sich im Alten Testament bereits angebahnt hat: das Wissen um den lebendigen Gott, dem die Welt etwas bedeutet und die gewissermaßen zu seinem Schicksal wird.

Frage: Gott ist die Einheit dreier Personen. Vater und Sohn können sich die meisten Gläubigen gut vorstellen. Aber wie kann ein Geist eine Person sein?

Stubenrauch: In der orthodoxen Frömmigkeit wurde auf diese Frage eine schöne Antwort gegeben: Das Gesicht des Heiligen Geistes, das sind wir selbst: die Gläubigen, die vielen Gesichter der Heiligen. Wir könnten vom Schöpfergeist nicht zu personalen Wesen gemacht worden sein, wenn er nicht selbst das Prinzip des Personalen in sich tragen würde. Zwar wird der Heilige Geist in der Schrift auch als eine Art göttlicher Kraft vorgestellt, und doch bleibt er mit personalen Kategorien verbunden: Er mahnt, er tröstet, er befreit, er begleitet.

Frage: Warum hat Jesus zu Gott gebetet, wenn er selbst Gott ist?

Stubenrauch: Weil er der Sohn ist und eine für ihn wesentliche Beziehung zum Vater hat. Er ist der Sohn: Wenn man undifferenziert sagen würde, er sei Gott, wäre er identisch mit dem Gott Israels und würde ihn ersetzen; ein absurder Gedanke. Der Sohn aber verdankt alles dem Vater. Er hat alles empfangen, was der Vater besitzt, heißt es im Johannesevangelium. Die biblisch beschriebene Vater-Sohn-Beziehung in Gott ist der Grundstock des trinitarischen Glaubens. Dass Jesus gebetet hat, zeigt, dass er immer Sohn war und so den Vater kennt und verherrlicht.


Frage: Es fällt auf, wie anders der Heilige Geist im Vergleich zu Vater und Sohn auf Bildern dargestellt wird. Sind Taube und Feuerzungen eine glückliche Wahl?

Stubenrauch: Die Bilder sind großenteils biblisch vorgegeben. Die Taube ist womöglich etwas irreführend, aber die Feuerzungen sind doch recht ansprechend: Der Heilige Geist ist unendliche Mitteilung – wie auch Feuer unendlich geteilt werden kann. Nach der Apostelgeschichte kamen die Feuerzungen auf jeden Einzelnen, also auf viele herab. So ist es bis heute.

Frage: Was wäre ein gutes Symbol für die Dreifaltigkeit? Etwa das Dreieck oder das dreiblättrige Kleeblatt?

Stubenrauch: Ich bin der Meinung, dass man das Trinitarische gar nicht abbilden kann. Das Dreieck zeigt immerhin den Einen, Untrennbaren. Ähnlich ist es vielleicht beim Kleeblatt. Schwer tue ich mich mit der Vorstellung einer göttlichen Familie. Drei vereinte Flammen wären vielleicht aufschlussreich. Doch wie gesagt: Darstellungen sind schwierig. Es besteht die Gefahr, die Trinität als drei in sich stehende Personen zu sehen, die man als Gruppe missverstehen kann.  

Frage: Wo liegt da das Problem?

Stubenrauch: Man sollte vermeiden, zu sehr an der Dreizahl zu hängen und Gott naiv numerisch aufzufassen. Trinität heißt: Gott ist Fülle. In Gott wirken entscheidende Dimensionen zusammen: das streng Transzendente, das dem Vater zugeschrieben bleibt, das Politische im weiten Sinn, das sich an Jesus zeigt, und das Mystische, die Innerlichkeit, wofür der Heilige Geist steht. Auf die schönen Barock-Bilder vom bärtigen Vater, vom Sohn mit dem Kreuz und von der Taube würde ich ungern verzichten wollen, aber hier ist Vorsicht geboten. Trinität muss man leben, nicht abbilden: durch Gottvertrauen, durch entschiedenes Handeln, durch persönliche Innerlichkeit.


Frage: Bis es zum Trinitäts-Dogma kam, stritt die Kirche auf Konzilien mehrere Jahrhunderte darüber. Einige Theologen behaupten, dass die Dreifaltigkeit eine kulturgeschichtliche Gestalt des Glaubens sei und nicht normativ sein sollte. Was entgegnen Sie dem?

Stubenrauch: Diese Behauptungen sind scharfsinnig und doch kurzsichtig. Die Dogmengeschichte hat nichts erfunden, sondern sie hat entfaltet. Sie will etwas Fundamentales, Bleibendes zeigen. Sie ringt um die rechte Sprache. Darf ich den Finger, der auf den Mond zeigt, mit dem Mond selbst verwechseln? Das Neue Testament ist durch und durch von einer trinitarischen Gotteserfahrung getragen. Über die geeignete Begrifflichkeit hat man dann später nachgedacht – und es natürlich im Horizont kultureller Vorgaben getan.  

Frage: Ist eine der göttlichen Personen wichtiger als die anderen? Sollte man sie alle gleich anbeten?

Stubenrauch: Dafür hat das Konzil von Konstantinopel von 381 eine wichtige Vorarbeit geleistet: "Der Heilige Geist wird mit dem Vater und dem Sohn zugleich mitangebetet und mitverherrlicht." Wer zum Geist betet, isoliert ihn nicht, denn der Gebetsakt schließt immer den Vater und den Sohn mit ein. Alles andere wäre eine Art Tritheismus, als ob drei Mal je gesondert zu Gott gerufen werden müsste. Deshalb ist das Dreifaltigkeitsfest am Sonntag nach Pfingsten so wichtig: Der dreifaltige Gott wird angebetet. Er ist ein einziges Du. Doch das Du zum Vater ermöglicht zugleich das Du zum Sohn und das Du zum Heiligen Geist. Grund genug für überbordenden Lobpreis.  

Von Agathe Lukassek

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