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„Warum ich im freien Westen leide“

„Warum ich im freien Westen leide“
„Warum ich im freien Westen leide“

Ich leide im freien Westen mehr, als ich in kommunistischen Ländern gelitten
habe. Mein Leiden besteht vor allem in der Sehnsucht nach der unaussprech-
lichen Schönheit der unterdrückten Kirche – der Kirche, die den alten lateini-
schen Wahlspruch wahr gemacht hat: „Nudis nudum Christi sequi“ (Dieweil
wir nackt sind, sind wir Nachfolger der Nacktheit Christi).
Im Herrschaftsbereich der Kommunisten ist Jesu Wort wieder Wirklichkeit,
daß der Gottessohn, der Mensch wurde und diejenigen, die zu ihm gehören,
nichts haben, „wo sie ihr Haupt hinlegen“ können.

Dort erfüllt sich an Dir das Wort, daß Du Deinen Vater nicht begräbst noch
Deiner Familie Lebewohl sagst, wenn Du Christus nachfolgst. Wer ist dort
Deine Mutter, Dein Bruder, Deine Schwester? In dieser Beziehung gleichst Du
dort Jesus. Mutter und Bruder sind für Dich nur jene, die den Willen Gottes tun.
Was aber die natürlichen menschlichen Bindungen anbelangt – haben sie denn
noch irgendeinen Wert angesichts der häufigen Tatsache, daß die Braut den
Bräutigam denunziert, die Kinder ihre Eltern, die Frauen ihre Ehemänner? Was
wirklich Bestand hat, ist mehr und mehr nur noch die geistliche Verbindung in
Christus. Die Untergrundkirche ist eine arme und leidende Kirche, aber sie hat
keine lauen Glieder.

Ein Gottesdienst in der Untergrundkirche gleicht jenen Versammlungen in
der frühchristlichen Kirche vor 1.900 Jahren. Der Prediger kennt keine ausgear-
beitete theologische Exegese. Er weiß auch nichts vom „Kanzel-Stil“, sowenig
Petrus davon wußte. Jeder Theologieprofessor hätte Petrus eine schlechte Note
für seine Pfingstpredigt erteilt. Die Verse der Bibel sind in kommunistischen
Ländern nicht so allgemein bekannt, weil dort Bibeln selten sind. Und außer-
dem hat der Prediger höchstwahrscheinlich jahrelang ohne Bibel im Gefängnis
gesessen.

Wenn sie dort ihren Glauben an einen Vater im Himmel bekunden, so bedeu-
tet das sehr viel, denn hinter dieser Versicherung stehen erschütternde Erlebnisse.
Im Gefängnis haben sie nämlich diesen allmächtigen Vater täglich um Brot ge-
beten – und haben statt dessen Kohl mit unbeschreiblichem Schmutz empfan-
gen. Dennoch glauben sie, daß Gott ihr liebender Vater ist. Sie sind wie Hiob,
der sagte, er würde Gott vertrauen, selbst wenn Gott ihn schlüge. Sie sind wie
Jesus, der Gott seinen Vater nannte, selbst als er dort am Kreuz verlassen war.
Wer einmal die geistliche Schönheit der Untergrundkirche kennengelernt
hat, der kann sich mit der Leere so mancher Kirchen hier im Westen nicht mehr
zufrieden geben.
Ich muß es noch einmal deutlich sagen: Ich leide hier im freien Westen mehr,
als ich je im Kerker gelitten habe, weil ich hier mit eigenen Augen die westliche
Kultur sterben sehe.

Oswald Sprengler schrieb in seinem „Untergang des Abendlandes“: „Ihr
liegt im Sterben. Ich sehe an Euch allen die charakteristischen Merkmale des
Zerfalls. Ich kann Euch nachweisen, daß Euer großer Reichtum und Eure große
Armut, Euer Kapitalismus und Euer Sozialismus, Eure Kriege und Eure Re-
volutionen, Euer Atheismus und Pessimismus und auch Euer Zynismus, Eure
Lasterhaftigkeit, Eure zerrütteten Ehen, Eure Geburtenkontrolle, die Euch von
der Substanz her ausblutet und auch von Eurer geistigen Höhe stürzt – ich kann
es Euch beweisen, daß dies die Wahrzeichen der Sterbeepoche aller antiken
Staaten waren: Griechenlands und Alexandrias und des neurotischen Roms.“

Das ist 1926 geschrieben worden. Seitdem sind schon in der ersten Hälfte Eu-
ropas Demokratie und abendländische Kultur gestorben und uns ebenso fern
geworden wie Kuba. Und der übrige Teil des freien Westens schläft.
Aber da ist eine Macht, die nicht schläft: der Kommunismus. Während im
Osten die Kommunisten enttäuscht sind und ihre Illusionen verloren haben, ist
der Kommunismus im freien Westen gefährlich geblieben. Denn im freien Wes-
ten will man die furchtbaren Berichte über die Greueltaten, das Elend und die
unmenschlichen Verfolgungen in den kommunistisch regierten Ländern nicht
wahrhaben. Mit unermüdlichem Eifer versuchen sie, überall ihre „Heilslehre
auszubreiten – in den Salons der oberen Schichten, in den Clubs der Intellektu-
ellen, in den Universitäten und Hochschulen, in den Elendsvierteln und in den
Kirchen. Und wir, die Christen, sind häufig nur mit halbem Herzen auf der Seite
der ganzen Wahrheit. Sie aber sind mit ganzem Herzen auf der Seite der Lüge. Währenddessen erörtern die Theologen hier im Westen vielfach nur Nebensächlichkeiten.

(Richard Wurmbrand)

Kommentare

 
(Nutzer gelöscht) 04.09.2021 08:24
Darf ich etwas nachfragen für mich zum besseren Verständnis?

Wenn Du schreibst Du vermisst die unterdrückte Kirche im Kommunismus und leidest im Westen. Wieso lebst Du dann dort wo Du leidest? Ist das dann so eine Art Selbstkasteiung? Aber für was?
Möchte nicht unhöflich sein, aber ich bitte da für mich um eine Erklärung
 
Zeitzeuge 04.09.2021 10:21
@Reinie
Wer heute die Weckrufe nicht hören will, wird sie erleiden müssen.

Das Prinzip "Saat und Ernte" gilt auch heute noch - bis zum jüngsten Gericht, wenn keine Umkehr und Buße erfolgt.
 
Klavierspielerin2 04.09.2021 10:27
Das 20. Jahrhundert war eine Katastrophe!
 
(Nutzer gelöscht) 04.09.2021 10:30
Danke schön
 
AndreasSchneider 04.09.2021 21:41
Das Leid schweisst die Leute zusammen.
Die Motive dabei sind aber bedingt durch äussere Not.
In Systemen, wie dem freien Westen, muss der Gläubige beweisen, dass er trotz all der Freiheiten , die er hat und trotz des angenehmen Lebens, wirklich an Christus interessiert ist.
Das ist vielleicht schwerer, als das, was Du schreibst, Zeitzeuge.
Unter ganz normalen, freien Bedingungen, als Gläubiger zurechtzukommen, das ist die Herausforderung.
Ich hatte nie solche schlimmen Bedingungen, von Staats wegen, war immer im freien Westen, wir müssen hier aber auch die Fahne des Evangeliums hochhalten, weil sonst auch, trotz aller Annehmlichkeiten, das Evangelium den Bach herunter geht!

Andreas
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