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EIN DOMINIKANER BERICHTET ÜBER SEINE BERUFUNG

EIN DOMINIKANER BERICHTET ÜBER SEINE BERUFUNG
Frater Lucas – Vom Bundespräsidialamt in den Orden


BONN ‐ Eigentlich hatte Lucas Wieshuber alles erreicht: einen interessanten Job, eine Beziehung, eine schicke Wohnung und ein volles Konto. Durch eine Krise im Leben spürt er, dass er etwas ändern möchte. Wie es dazu kam und was ihm die Kraft dazu gab, erzählt der Dominikaner im Interview.


Frater Lucas Leonhard Wieshuber hatte erst den Wunsch Priester zu werden. Doch er wird erst Krankenpfleger und arbeitet nach dem Theologiestudium im Bundestag in Berlin. Danach gerät er in eine Lebenskrise und lernt das Herzensgebet kennen. Das verändert alles. Er beendet eine Beziehung, steigt aus dem Job aus und fängt nocheinmal neu an. Im Gespräch mit katholisch.de erklärt der Dominikanerpater von seinem Weg zu einem sinnerfüllten Leben. 

Frage: Frater Lucas, Sie sind Theologe, waren lange Referent im Bundespräsidialamt und sind heute Ordensmann und Priester. Wie kam es, dass Sie sich erst spät dazu entschieden haben, Priester zu werden?

Frater Lucas: Ich wollte während meiner Schulzeit bereits Priester werden. Nach dem Abitur habe ich in München mit diesem Berufsziel Theologie studiert. Im Priesterseminar ging es viel um innerkirchliche Themen und um die eigene Berufung. Ich war vielleicht noch zu jung und ein Freigeist. Daher empfand ich die Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt dort als bedrückend. Ich war gerade erst von meinem Freiwilligen Internationalen Dienst aus Bolivien zurückgekehrt. Dort hatte ich im Rahmen des Projekts "Missionar auf Zeit" bei den Steyler Missionaren in einer bolivianischen Landpfarrei mitgearbeitet. Da prallten zwei ganz unterschiedliche Welten aufeinander Ich dachte mir, vielleicht ist meine Berufung doch eine andere und ich beendete das Studium und verließ das Priesterseminar. Ich machte dann eine Ausbildung zum Krankenpfleger und arbeitete im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg. Diesen Beruf machte ich gerne. Doch die Theologie ließ mich nicht los.

Frage: Haben Sie dann wieder begonnen Theologie zu studieren?

Frater Lucas: Ja, denn die Breite des Theologiestudiums hat mich sehr angesprochen. Auch weil ich eine langfristige Perspektive im Gesundheitswesen oder in der Pflege für mich nicht gegeben sah. Ich nahm mein Studium wieder auf. Dieses Mal fokussierte ich mich beruflich mehr auf den gesellschaftspolitischen Bereich. Gegen Ende meines Studiums machte ich ein Praktikum bei der COMECE in Brüssel und hatte eigentlich ein Stipendium für ein Aufbaustudium an der amerikanischen Harvard-Universität in der Tasche. Dann starb plötzlich mein Vater.

Frage: Wie erging es Ihnen damals?

Frater Lucas: Ich fühlte mich orientierungslos. Ich gab alle meine Pläne auf und blieb erst bei meiner Schwester und meiner Mutter zu Hause. Wie es beruflich für mich weitergehen könnte, das wusste ich damals nicht. Dann trat ich eine über einen Bekannten vermittelte Vertretungsstelle als Referent für Kirchen und Religionsgemeinschaften bei einer der Fraktionen im Deutschen Bundestag in Berlin an. Einige Zeit später wurde eine solche Stelle im Bundespräsidialamt frei und nach erfolgreich absolviertem Bewerbungsverfahren trat ich in den Dienst des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler.

Frage: Sie waren sogar im Dienst für mehrere Bundespräsidenten…

Frater Lucas: Ja, ich war bei vier Bundespräsidenten in Diensten und dort im Bundespräsidialamt vor allem verantwortlich für die Bereiche Kirchen und Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie den interkulturellen und interreligiösen Dialog. Eine Zeit lang war ich auch für die Bereiche Migration und Integration dort verantwortlich. Es war ein sehr interessanter Arbeitsbereich und eine schöne, abwechslungsreiche Zeit. Zu meinen Aufgaben zählte etwa, die Post des Bundespräsidenten zu den Themen Kirche und Gesellschaft zu bearbeiten sowie Kontakte zu den Repräsentanten der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu pflegen. Ich habe an Reden und Grußworten für ihn mitgearbeitet und seine Termine vor- und nachbereitet, Treffen organisiert und auch größere Veranstaltungen geplant. Besonders eindrücklich war der Besuch Papst Benedikts XVI. im Jahr 2011 in Deutschland. Ich kann mich auch noch an eine persönliche Begegnung mit ihm erinnern. Für mich war dieser Besuch einer der Höhepunkte in meiner beruflichen Laufbahn. Ich hatte eine schicke Wohnung, einen guten Job, eine langjährige Partnerschaft und strudelte dennoch genau zu diesem Zeitpunkt in eine Lebenskrise.


Bild: ©privat
Der Dominikaner Frater Lucas Leonhard Wieshuber umarmt eine Bekannte nach seiner Priesterweihe im Mai 2023 in der Wiener Dominikanerkirche.

Frage: Wie kamen Sie aus dieser Lebenskrise heraus?

Frater Lucas: Ich nahm an Exerzitien im Haus Gries in der fränkischen Schweiz teil. Dort lernte ich das kontemplative Gebet kennen. Der Jesuitenpater Franz Jálics hat mich damals geistlich begleitet. Während dieser Zeit hatte ich ein Erlebnis, das mich überwältigte. Ich weiß noch, ich saß einmal früh morgens auf der Terrasse, hielt die Kaffeetasse in der Hand und hörte plötzlich eine innere Stimme: "Lucas, willst du das überhaupt?" Ich wusste gar nicht, was damit genau gemeint war. Ich konnte das Geschehen weder mit dem Verstand noch mit dem Gefühl einordnen. Es hatte einen paradoxen Charakter. Mein Inneres sagte ohne mein Zutun ein großes "Ja" dazu und ich spürte in mir sehr viel Liebe. Mir sind dabei die Freudentränen in die Kaffeetasse getropft. Jetzt hatte ich "endlich" auch mein Berufungserlebnis, könnte ich heute sagen. (Lacht.)

Frage: Führte dieses Erlebnis dazu, dass Sie Dominikaner und Priester wurden?

Frater Lucas: Auf die Frage, ob ich nun Priester werden sollte, meinte damals mein geistlicher Begleiter, dass es vollkommen egal sei, was ich tue. Ich sollte nur dem Herzensgebet und dem kontemplativen Weg treu bleiben. Das würde mich zu meiner Bestimmung führen. Ich habe viel und lange darüber nachgedacht und auch darüber, wie ich dieses Erlebnis in mein Leben integrieren könnte. Vorerst blieb ich noch in meinem Job im Bundespräsidialamt. Sieben Jahre später trat ich in den Dominikanerorden ein. Für viele war das damals sonderbar, für mich war es zu diesem Zeitpunkt schlüssig.

Frage: Kannten Sie die Dominikaner schon von früher?

Frater Lucas: Ja, denn ich war schon etwas länger Mitglied der Laiengemeinschaft des Dominikanerordens. So kam ich immer wieder in Kontakt mit der Spiritualität des Ordens. Dort fühlte ich mich zu Hause, das wurde meine geistige Heimat.

Frage: In diesem Jahr sind Sie auch zum Priester geweiht worden. Nun endlich, oder?

Frater Lucas: Es war ein langer Weg und kein gerader dahin, das stimmt. Die Weihe und die Feier in Wien waren sehr ergreifend für mich. Auch meine Mutter und meine Schwester waren dabei. Darüber freute ich mich besonders, denn meine Mutter war anfangs nicht so begeistert davon, dass ich nun doch Priester werde. Schließlich konnte sie es annehmen, weil sie gesehen hat, dass es mir Freude macht. Nach der Weihe bin ich im Rahmen meiner Ordensausbildung für ein halbes Jahr nach Indien gegangen. Ich möchte noch mehr von der indischen Spiritualität für mich und meinen Glauben lernen. Christliche Kontemplation und Mystik sowie indische Mystik, Spiritualität und Meditation können viel voneinander lernen und sich gegenseitig befruchten. Der christliche Mystiker Bede Griffith und der indische Jesuit Sebastian Painadath haben meiner Meinung nach dazu viel zu sagen. Auf diese Weise lerne ich Gott näher zu kommen oder besser gesagt, mich ihm zu öffnen. Das, was ich hier lerne, möchte ich dann in meinen Kontemplationskursen wieder anderen Menschen weiterschenken.

Frage: Welche Spiritualität möchten Sie als Dominikaner anderen Menschen vermitteln?

Frater Lucas: Es sind für mich vor allem die Mystiker wie Meister Eckhart, Johannes Tauler und Heinrich Seuse wichtig geworden. Ein an Thomas von Aquin angelehntes Ordensmotto ist mir besonders nahe. Es heißt: "Contemplari et contemplata aliis tradere". Das bedeutet etwa frei übersetzt: "Betrachten, Kontemplation üben und das in der Kontemplation, in der Betrachtung Erfahrene, Geschaute an andere weitergeben". Das ist die Quintessenz für mich als Predigerbruder. Das Herzensgebet, das ich seit meinen ersten kontemplativen Exerzitien pflege, war mir bei all meinen Entscheidungen ein wichtiges "Instrument" der Orientierung. Ich gebe selbst Kurse, um diese Art des Betens auch anderen zu vermitteln. Es ist Gottes heilende und bedingungslose Liebe, die uns in jedem Moment umfängt und der wir uns nur öffnen müssen Ich bin froh, dass ich das erfahren durfte.

Von Madeleine Spendier


Zur Person
Frater Lucas Leonhard Wieshuber OP (47) im bayrischen Mühldorf am Inn geboren ist zertifizierter Anleiter für Christliche Kontemplation, staatlich examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Diplomtheologe. Vor seinem Ordenseintritt 2018 bei den Dominikanern war er im Berliner Bundespräsidialamt für mehrere deutsche Bundespräsidenten Ansprechpartner für den Bereich Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Im September 2022 legte er seine feierliche Profess ab und wurde 2023 zum Priester geweiht. Zur Zeit ist Frater Lucas Wieshuber in Indien und Thailand, um die Arbeit der dortigen Dominikaner kennenzulernen und Erfahrungen in den Bereichen Meditation und Kontemplation sowie im interreligiösen und interkulturellen Austausch zu sammeln. Er promoviert zudem am Lehrstuhl für christliche Spiritualität der Universität Wien. 

Kommentare

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Jerusa 21.11.2023 10:01
Ein Freund, war Arzt in Erlangen, an der Uniklinik.... Er wurde nach Heroldsbach eingeladen..., dann studierte er Theologie und wurde Priester, was er heute noch ist. 
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