Ein wenig bekanntes Angebot der Kirche: Geistliche Begleitung

Ein wenig bekanntes Angebot der Kirche: Geistliche Begleitung
GOTTESBEZIEHUNG UND LEBENSTHEMEN KOMMEN ZUR SPRACHE


Geistliche Begleitung – das klingt nach einem Angebot für Hardcore-Katholiken. "Viele haben die Vorstellung, das ist nur etwas für ganz fromme, bibelfeste Menschen oder für Ordensleute", sagt Stephan Trescher, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Diözesan-Exerzitien-Sekretariate (ADDES). Dabei sei diese Form der kostenlos und diskreten Einzelseelsorge eine Chance für jeden, der seine Spiritualität und Gottesbeziehung vertiefen wolle.

"Es geht dabei nicht nur allein um die Gottesbeziehung", sagt Trescher. Auch wenn die Begleitung ein spirituelles Profil habe, könnten dabei alle Lebensthemen zur Sprache kommen, "schließlich begegnet uns Gott in dem, was wir erleben". Angesprochen werden könne dabei alles, "was gerade dran ist und einen Menschen bewegt".

Spirituelles und Alltagsleben könnten schließlich nicht getrennt betrachtet werden, sagt auch Marita Thenee, seit 20 Jahren Geistliche Begleiterin im Erzbistum Köln. Das Angebot sei eine Chance, "das eigene Leben aus der Perspektive des Glaubens zu verstehen und zu erkunden, wie ich von Gott in meinem Leben begleitet werde, dass er erfahrbare Zeichen seiner Gegenwart gibt", sagt die inzwischen pensionierte Lehrerin.

Wissen um Vorbehalte

Zugleich weiß Thenee um die Vorbehalte von Menschen, wenn sie von dem kirchlichen Angebot hören. Die Kirche sei derzeit "mit so vielen negativen Assoziationen verbunden, dass das die persönliche Glaubensentwicklung stören kann". Kirche und Glauben gehörten zwar zusammen, sagt Thenee. Dennoch lasse sie die Kirche bei Glaubensgesprächen oft erst einmal außen vor. "Schließlich geht es bei der Begleitung um das Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch."

ADDES-Sprecher Trescher sieht die Geistliche Begleitung als Möglichkeit, den eigenen Glauben bewusst anzuschauen, weiterzuentwickeln und ihn als Unterstützung in das eigene Leben zu integrieren. Ob Einsamkeit, Trauer oder Beziehungsprobleme – "viele könnten ihre Spiritualität als Ressource viel stärker nutzen", findet Trescher. Deshalb bedauert er, dass das kostenlose Angebot "noch nicht bekannt genug" sei.

Seit der Neuzeit sind fest installierte Bänke allgemeiner Brauch. "Katholische" Bänke erkennt man am schmalen Kniebrett vor dem Sitz.
Bild: ©Roland Halbe
Bei der Institution Kirche haben viele Menschen Vorbehalte.

Klaus Kleffner, Leiter des Teams Exerzitia im Bistum Essen, ging es ähnlich. Menschen würden oft eher zufällig darauf aufmerksam – oder weil sie von anderen davon hörten. Deshalb startete er vor einigen Jahren eine Postkarten-Kampagne, um die Möglichkeit der Einzelbegleitung im Bistum stärker publik zu machen. Mit seinem Team legte er kostenlose Karten mit eingängigen Impulsfragen in Postkartenständern an öffentlichen, kirchenfernen Orten aus – in Kneipen, Kinos und Schwimmbädern. "Die Idee war: mal raus aus der Kirche, an Orte, wo Menschen hinkommen, die mit Kirche nichts am Hut haben", sagt Kleffner. Immerhin 30 Personen hätten sich daraufhin gemeldet und eine Geistliche Begleitung begonnen.

Kirche werde nicht als begleitende Institution wahrgenommen

"Viele sind auch ganz erstaunt, dass es so etwas wie Einzelseelsorge gibt; Kirche wird nicht als begleitende Institution wahrgenommen", so der Eindruck des Priesters. Das liege aber mitunter auch an den Seelsorgern. "Ein Pfarrer, der das Bild vermittelt, dass er von Termin zu Termin hetzt, den fragt man gar nicht erst, ob er Zeit für einen hat." Noch in den 1960er Jahren sei die Beichte üblich gewesen, sagt Kleffner. Dabei hätten Menschen Themen und Probleme angesprochen, die sie bewegten. Diese Form von Einzelseelsorge sei inzwischen so gut wie weggefallen.

Thenee gibt zu bedenken, dass ein Priester, nur weil er geweiht ist, nicht automatisch ein guter Geistlicher Begleiter sei. Wer eine solche Begleitung anbiete, sollte auch eine entsprechende Ausbildung absolviert haben, sagt die 66-Jährige. Auch Trescher verweist auf die rund zweijährige Fortbildung. Menschen, die andere auf deren geistlichen Weg begleiten, müssten zudem selbst in Geistlicher Begleitung und bereit sein, sich mit dem eigenen geistlichen Weg zu beschäftigen und die eigene Persönlichkeit mit ihren "Prägungen und blinden Flecken" zu reflektieren.

„Gott ist der eigentliche Begleiter.“

— Zitat: Marita Thenee
Eine Geistliche Begleitung dürfe Menschen nicht in eine bestimmte Richtung drängen, mahnt Thenee. Der Fokus liege vielmehr auf gutem Zuhören. Die begleitende Person versuche zu ergründen, wo der oder die andere gerade steht, wie die Beziehung zu Gott noch fruchtbarer werden kann. "Gott ist der eigentliche Begleiter", stellt die Bonnerin klar, die Mitglied in der den Jesuiten nahestehenden geistlichen Gemeinschaft Christlichen Lebens (GCL) ist. Zugleich gelte es Störungen – etwa ein krank machendes Gottesbild oder zwanghafte Formen von Religiosität – zu erkennen und heilen zu helfen, sagt die erfahrene Begleiterin.

Ziel sei die Stärkung des Menschen

Ziel einer guten Geistlichen Begleitung sei es, den Menschen zu stärken und ihnen Orientierung zu geben – auch wenn es um ganz konkrete Alltagsprobleme wie Mobbing geht. "Man wird unterstützt, mutiger zu werden, sich zu wehren und auch kritische Dinge anzusprechen." Thenee verweist dann auf Jesus: "Der Mann hat Zivilcourage gehabt".

Letztlich gehe es darum, "den anderen zu größerer innerer Freiheit zu führen und zu einer reifen persönlichen Gottesbeziehung zu finden", sagt die Begleiterin. Genau darum ging es auch Ignatius von Loyola, an dessen Spiritualität in der Geistlichen Begleitung angeknüpft wird. Bei seiner bekannten Methode der "Unterscheidung der Geister" seien das Empfinden von größerer Freiheit und Lebendigkeit eine wichtige Richtschnur, erklärt Thenee. "Man ist auf dem richtigen Weg, wenn man sich lebendiger fühlt, erfüllter lebt und eine positive Perspektive für sich sieht – mit Gottes Kraft."

Von Angelika Prauß (KNA(

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