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EINE PÄPSTLICHE FRIEDENSINITIATIVE ZWISCHEN POLITIK UND MORAL

EINE PÄPSTLICHE FRIEDENSINITIATIVE ZWISCHEN POLITIK UND MORAL
Ukraine-Krieg: Wie kann der Heilige Stuhl vermitteln?
VERÖFFENTLICHT AM 09.06.2023 


LIMBURG ‐ Papst Franziskus hat Kardinal Matteo Zuppi in die Ukraine entsendet. Seine Aufgabe: nach Möglichkeiten für einen "gerechten Frieden" suchen. Aber wie viel Verhandlungsbereitschaft gibt es auf beiden Seiten überhaupt? Und welche Mittel stehen dem Heiligen Stuhl zur Verfügung? Eine Analyse.


Ob Frankreichs und Deutschlands Bemühungen im Normandie-Format, die Türkei und die Vereinten Nationen bei den Getreideabkommen oder die Vereinigten Arabischen Emirate beim Gefangenenaustausch: Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat es bereits zahlreiche Vermittlungsinitiativen gegeben. Viele weitere Staaten haben Unterstützung bei Friedensgesprächen angeboten. Nun hat Papst Franziskus den Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz in die Ukraine geschickt, um nach Möglichkeiten für einen "gerechten Frieden" zu suchen. Damit hat die lang angekündigte Friedensinitiative des Heiligen Stuhls Form angenommen, auch wenn die Ziele der Mission Kardinal Matteo Zuppis bewusst vorsichtig formuliert sind.

Der Heilige Stuhl als Vermittler

Ob die Initiative Erfolg haben kann, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Der Heilige Stuhl verfügt zwar nach einem bekannten Diktum über keine eigenen militärischen Streitkräfte, ist in der Konfliktmediation aber alles andere als ein unbekannter Akteur. Im Gegenteil: Die Päpste und ihre Sondergesandten haben in zahlreichen Konflikten – teils auch erfolgreich – vermittelt. So konnte der Streit um den Beagle-Kanal zwischen Argentinien und Chile 1984 durch die Initiative Papst Johannes Paul II. beigelegt werden. Auch in Kolumbien und im Südsudan hat der Heilige Stuhl vermittelt. In die Friedensinitiativen des Heiligen Stuhls ist dabei nicht selten auch die Gemeinschaft Sant’Egidio einbezogen. Auch Kardinal Zuppi ist ihr als geistlicher Begleiter verbunden. Durch die erfolgreiche Vermittlung im mosambikanischen Bürgerkrieg (1977 bis 1992) hatte die Gemeinschaft internationale Bekanntheit erlangt. Allerdings sind einige Anläufe des Heiligen Stuhls auch im Sande verlaufen, etwa im Zuge der humanitären Katastrophe in Venezuela, bei der es zwischen Oppositionsführer Juan Guaidó und Staatspräsident Nicolás Maduro zu vermitteln galt.

Vermittlung als politischer Akt

In Friedensverhandlungen ist nicht nur umstritten, was verhandelt wird und ob und wie man zu Ergebnissen kommt, sondern auch, von wem vermittelt wird. Papst Franziskus tut aus vermittlungsstrategischer Sicht zwar gut daran, von der scharfen Verurteilung Russlands abzusehen. Nur so hat er eine Chance, den Gesprächskanal zu beiden Konfliktparteien offen zu halten. Für die ausbleibende Verurteilung des Aggressors muss der Heilige Stuhl allerdings hohe Reputationskosten zahlen. Denn aus ethischer Sicht ist das Lavieren ein Debakel.

Auch Papst Franziskus ist bewusst, dass das vermittlungsstrategische Kalkül nicht das einzige bleiben darf, sondern dass die Vermittlung auch eine politische und moralische Dimension hat. Vor diesem Hintergrund sind etwa die Verurteilungen der russischen Gewalt in der Ukraine zu deuten. Der Heilige Stuhl versucht seit Kriegsbeginn, den Spagat zwischen der Parteinahme für die leidtragende ukrainische Bevölkerung sowie der eigenen Neutralität und Unparteilichkeit zu bewältigen. Dass diese Gratwanderung alles andere als gelungen und zudem risikobehaftet ist, machen politische Vertreter der Ukraine immer wieder deutlich.

Kardinal Matteo Zuppi
Bild: ©KNA/Paolo Galosi/Romano Siciliani
Papst Franziskus hat den Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi, auf Mission geschickt. Er soll die Möglichkeiten eines "gerechten Friedens" zwischen der Ukraine und Russland prüfen.

Nach seinem Treffen mit Papst Franziskus fand Staatspräsident Wolodimir Selenskyj klare Worte: "Bei allem Respekt für Seine Heiligkeit, wir brauchen keine Vermittler. Wir brauchen einen gerechten Frieden." Die Formulierung im Mandat Kardinal Zuppis dürfte als direkte Reaktion des Papstes auf Selenskyjs Aussagen zu werten sein: Dieser solle den ukrainischen Autoritäten "aufmerksam zuhören und Wege zum gerechten Frieden erkunden".

Selbst wenn von einem Frieden zu ukrainischen Bedingungen explizit keine Rede ist, ist der "gerechte Friede" als Referenzpunkt doch als Schritt auf Selenskyj hin zu sehen. Dass der Papst Russland bislang nicht explizit als Aggressor verurteilt hat, kommt ihm in der möglichen Vermittlung zugute: Der russische Präsident Putin hat seine Bereitschaft zu Verhandlungen unter der Vermittlung des Heiligen Stuhls bekundet.

Warum wird verhandelt?

Fraglich ist bei aller Verhandlungsbereitschaft allerdings, was die zugrunde liegende Motivation der Konfliktparteien ist. Geht es wirklich um eine Beilegung des Konflikts oder um die Stärkung der eigenen Position? Während im Falle der Ukraine das erklärte Ziel die Wiedererlangung der von Russland besetzten Gebiete einschließlich der Krim ist, beharrt Putin auf der Rechtmäßigkeit seines Angriffskriegs und der Annexion ukrainischen Territoriums. Dass eine Einigung in diesen Punkten auf dem Verhandlungsweg äußerst unwahrscheinlich ist, dürfte beiden Seiten klar sein. Insbesondere für Putin ist der Ausgang des Überfalls auf die Ukraine innen- wie außenpolitisch zu einer im buchstäblichen Sinne existenziellen Frage geworden und ein Einlenken kaum zu erwarten.

Was aber erhoffen sich die Beteiligten dann von möglichen Verhandlungen? Vermutlich ist insbesondere Putins Kalkül innenpolitisch motiviert. Während die Ukraine den größten Gewinn aus der Wiederherstellung des Status quo ante und damit einer Konfliktbeilegung ziehen könnte, (settlement rewards), sucht Putin aus dem Vermittlungsprozess selbst Profit zu schlagen (process rewards). So weiß der russische Präsident zu gut, welche Symbolwirkung von der Vermittlung des Heiligen Stuhls ausgeht. Dass Russland und die Ukraine auf Augenhöhe an einem Verhandlungstisch sitzen, wertet seine Position deutlich auf. Schließlich wird dadurch suggeriert, dass zwei Parteien an der Lösung eines Konflikts arbeiten, in dem die Schuldfrage ungeklärt ist. Dass Selenskyj auf die Vermittlungsangebote des Heiligen Stuhls zunächst verhalten reagiert hat, ist verständlich, spielt Putin aber zusätzlich in die Hände.

Veränderung des innenpolitischen Kalküls als Schlüssel zum Erfolg

Voraussetzung einer erfolgreichen Vermittlung und von Friedensverhandlungen ist, dass die Konfliktparteien lösungsorientiert sind. Will man Wladimir Putin dazu bewegen, so wäre eine Veränderung seines innenpolitischen Kalküls von großer Bedeutung. Der Westen hat dies durch die umfassende Sanktionspolitik bereits versucht. Diese Strategie war allerdings bislang wenig erfolgreich, da Handelsströme weitestgehend umgelenkt wurden. Auch die moralische Autorität des Heiligen Stuhls wird kaum ausreichen, Putin zum Umdenken zu bewegen.


Bild: ©picture alliance / Alexei Druzhinin/TASS/dpa | Alexei Druzhinin
Wirds sich Russlands Präsident Wladimir Putin auf Friedensverhandlungen einlassen? Für ihn ist der Ausgang des Kriegs in der Ukraine zur existenziellen Frage geworden.

Insofern ist es wenig verwunderlich, dass weite Teile der internationalen Gemeinschaft, so auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, die chinesische Regierung darauf drängen, vermittelnd einzugreifen. So unwahrscheinlich das zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist: Erfolgsversprechend wäre die Strategie allemal. China hat alle Instrumente in der Hand, um wirtschaftlichen und politischen Druck auf die russische Führung auszuüben. Die Vernetzung beider Länder ist äußerst stark ausgeprägt und China leistet Russland – im Wissen, dass man sich in der internationalen Gemeinschaft im Falle eines Überfalls auf Taiwan in einer ähnlichen Situation befinden würde – immer wieder Schützenhilfe. So hat das chinesische Außenministerium unter anderem gegen den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Wladimir Putin protestiert. Gleichzeitig könnte China für Präsident Putin eine gesichtswahrende Exit-Strategie aus dem Angriffskrieg bieten. Ein möglicher Rückzug könnte mit chinesischer Unterstützung vielleicht sogar innenpolitisch als Erfolg dargestellt werden.

Primat der Perspektive der Leidtragenden

Was aber bedeutet das nun für den Heiligen Stuhl? Zunächst ist zentral, dass insbesondere in der Vermittlung des Heiligen Stuhls als religiöser Akteur die Perspektive der Leidtragenden absolute Priorität haben muss. Mit einem technokratischen Ansatz der Vermittlung, bei dem auf ein Kriegsende in der Ukraine über das betroffene Land hinweg hingearbeitet wird, wird kaum ein gerechter und nachhaltiger Friede erreicht werden. Insofern muss eine Instrumentalisierung der Initiative durch die russische Führung unbedingt unterbunden werden.

Selbst wenn die großen Linien des Konflikts unter Vermittlung des Heiligen Stuhls kaum zu lösen sein dürften, ist die Friedensinitiative nicht zum Scheitern verurteilt. Insbesondere die Vermittlung etwa bei der Rückführung entführter ukrainischer Kinder oder beim Kriegsgefangengenaustausch könnte erfolgsversprechend sein, weil in diesen Punkten auch die russische Führung ergebnisorientiert ist und zudem gesichtswahrende Verhandlungen unter dem Radar der Öffentlichkeit möglich sind. Das wäre zwar eine Low-Profile-Strategie, würde aber dennoch Gesprächskanäle offenhalten und im Hinblick auf weitere Vermittlungsinitiativen und Verhandlungen vertrauensbildend wirken.

Von Johannes Ludwig

Zum Autor
Dr. Johannes Ludwig studierte Internationale Beziehungen, International Security und International Political Economy. Nach seiner Promotion zur Menschenrechtspolitik des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen arbeitet er inzwischen als Referent für Globale Vernetzung im Bistum Limburg.




The Holy See, der Heilige Stuhl 
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seit 4.3.2022:
Ukraine- Russland: Neuigkeiten aus Rom 
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Kommentare

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Zeitlos6 09.06.2023 08:42
Der Krieg wird davon entschiede
wer finanziell den längeren Atem hat ...
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