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Liebesbrief an einen guten (Un)bekannten

Liebesbrief an einen guten (Un)bekannten
Liebster…

Ich kenne ja noch nicht einmal Deinen Namen. Wie soll ich Dir da schreiben?
Ganz schön schwierig, jemandem einen Liebesbrief zu schreiben, den man noch gar nicht kennt. Von dem man, nach einem halben Jahrhundert vergeblicher Suche, nicht einmal weiß, ob er überhaupt existiert.
Noch dazu, weil ich das „L-Wort“ schon lange nicht mehr verwendet habe und auf diesem Gebiet inzwischen ein wenig eingerostet bin.
Andererseits, wenn es Dich gar nicht gäbe, warum fehlst Du mir dann überhaupt?
Ich weiß nicht, wie Du aussiehst oder was Du machst, was Du magst, was Du hasst, kenne nicht Dein Lieblingsessen oder die Musik, die Du gerne hörst. Ich weiß nicht, ob Du Kinder hast, wer Dich bisher auf Deiner Reise treu begleitet  oder wer Dich im Stich gelassen hat. Ich weiß nicht, welche Geschenke Dir das Leben bis heute gemacht und welche Wunden es Dir geschlagen hat.
Noch nicht.
Und das ist auch gar nicht schlimm.
Um so mehr freue ich mich schon darauf, Dich kennenzulernen! Deine Stimme zu hören, während Du  von Dir erzählst und Dir dabei in die Augen zu sehen. Vielleicht bei einem guten Glas Wein herauszufinden, welche Farbe sie überhaupt haben. Was sie schon alles gesehen haben. Und noch so vieles mehr.
Ob es - notfalls auch völlig ohne Kaminfeuer - knistert zwischen uns; bis unsere Seelen Funken schlagen.
Ich freue mich wirklich schon darauf.

Denn andererseits, so völlig unbekannt bist Du mir ja auch wieder nicht, einiges weiß ich schon von Dir:
Zum Beispiel, dass Du Humor hast, anders würdest Du es gar nicht mit mir aushalten.
Und auch, dass Du nicht mehr der Jüngste bist, was die Zahl der Lebensjahre betrifft wäre ich Dir nämlich nur höchst ungern weit voraus. Oder völlig unterlegen.
(Falls Du gerade denkst, warum schreibt sie nicht gleich, dass sie einen komischen alten Kauz sucht, solltest Du mir schleunigst eine PN schicken!) 
Du hast im Laufe dieser Jahre schon einiges falsch gemacht und weißt das auch, schließlich will ich nicht das einzige schwarze Schaf in unserer Idylle sein.
Du bist den Wölfen schon begegnet, den schwarzen Schatten in dunklen Tälern. Und dem Hirten, der sich nicht zu schade war, seine irdische Karriere in einer Futterkrippe zu beginnen.
Für eine Eigenschaft bewundere ich Dich besonders: Du bist mutig! Denn Du lädst die MS freiwillig in Dein Leben ein! Das hätte ich selber nie getan, wäre ich gefragt worden. Aber Du, der Du die Wahl hast, nimmst es mit dieser Krankheit auf. Mir zuliebe.
Dieser Mut grenzt an Übermut. Ist crazy, auf eine unwahrscheinlich sympathische Art verrückt.
Dafür liebe ich Dich schon jetzt.
Unwahrscheinlich!

Das bringt mich wieder zu meiner Ausgangsfrage zurück: Läuft so ein Mann überhaupt auf Gottes schönem Erdball herum? Oder zieht darauf seine Kreise im Rollstuhl? Surft hier im Internet?
Vielleicht spielt mir meine Sehnsucht nur einen Streich. Es wäre nicht das erste Mal.
Trotzdem wage ich den Schritt vom Sehnen zum Suchen und schreibe Dir diesen Brief.
Nur für den Fall, dass es Dich gibt.

In Liebe, Schirin

Kommentare

 
(Nutzer gelöscht) 27.04.2023 17:20
Wow, chapeau! Shirin, ich bete dafür das Du ihn findest - das hast Du auch verdient mit dieser wunderbaren Würdigung an deinen Zukünftigen!👍🌞
Lg Timber👋
 
(Nutzer gelöscht) 27.04.2023 18:42
Ach, wie schön, @ Shirin. Aus deinen Zeilen spricht soviel Sehnsucht. Ich würde mich sehr für dich freuen, wenn sie den richtigen Adressaten erreichen! 😘
 
perlental 27.04.2023 21:08
Ja. Das wünsche ich dir auch, das der liebende Vater deine Sehnsucht sieht und erhört und du DEN findest, nach dem sich deine Seele sehnt
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