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Wenn jemand mir nachkommen will,...

Wenn jemand mir nachkommen will,...
Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach! (Mat 16:24, Schlachter)

„...der verleugne sich selbst“

Kaum ein Satz des neuen Testamentes ist mehr mißverstanden und mehr mißbraucht worden als dieser. Vielleicht ist es gut, zunächst einmal klarzustellen, was Jesus hier nicht sagt. Er sagt nicht:  „...der verleugne sein Selbst.“ Selbstverleugnug kann nicht als Ignorieren der eigenen Persönlichkeit, als ein Sich-Verachten, als ein Sich-nicht-mehr-wichtig-Nehmen verstanden werden. Ebensowenig ist das Nur-für-andere-Dasein, das Sich-total-Auflösen und Verzehren im Dienst für andere Menschen oder für eine Idee gemeint. Selbstverleugnung ist auch kein pseudodemütiges Negativdenken über die eigene Person und ihre Unwürdigkeit. „...der verleugne sich selbst“ beinhaltet zunächst eine Absage an all die mich zu Unrecht beanspruchenden Meinungen, Kräfte, Verpflichtungen, Aufgaben, Beziehungen, die mein Selbst und meinen Selbstwert bisher bestimmt haben. Das kann bedeuten, daß ich jemandem, der mich besuchen, mich anrufen oder sonst etwas von mir will, sagen muß: „Ich bin jetzt nicht für dich zu sprechen, ich bin nicht für dich zuständig.“ Ein Chef hat vielleicht eine Sekretärin, die ihn in unangenehmen Situationen einfach verleugnet, indem sie sagt: „Er ist leider nicht zu sprechen!“ Darum geht es hier nicht. Ich lasse mich nicht durch irgend jemanden verleugnen, wenn's für mich peinlich wird. Wenn aber ungerechtfertigte Ansprüche an mich gestellt werden, verleugne ich mich selbst.

Es geht darum, den unser Leben beeinflussenden, bedrängenden Kräften die Stirn zu bieten und „nein“ sagen zu lernen. So wie das „ich will“ ein volles „Ja“ bedeutet zu dem Ruf Gottes, mein Leben in neue Dimensionen zu führen, so ist das Verleugnen ein konsequentes „Nein“ allen hemmenden, zurückhaltenden, bedrohenden und verpflichtenden Kräften gegenüber – durch Personen, die uns bisher bestimmt haben, durch Verhältnisse, die uns festhalten wollen oder durch sachliche Verpflichtungen, die zu einer Macht in unserem Leben geworden sind und die Wandlung verhindern. Ein liebevoller Ehemann, der nicht zuläßt, daß seine Frau sich verändert – oder umgekehrt – kann das ebensogut sein wie treusorgende Eltern, die ihren Kindern nicht gestatten, sich selbständig zu machen. Manchmal sind es religiöse  oder politische Mächte, die das Leben bestimmt haben und die nun durch die Selbstverleugnung entthront werden und damit ihr Recht an mein Selbst, an mich selbst, verlieren.

Sich-selbst-Verleugnen heißt so verstanden: ich bin nicht mehr da, nicht mehr zuständig für eine andere Autorität – und sei sie noch so liebevoll und herzlich – als für die, die mich jetzt ins Leben ruft.

Noch deutlicher wird das, was Jesus meint, in den Paralleltexten:
„Wer mir nachfolgen will und nicht absagt allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein“(Luk 14:33);

So kann nun keiner von euch, der nicht allem entsagt, was er hat, mein Jünger sein. (Luk 14:33, Elb)

oder: Wer nicht haßt Vater und Mutter...(Luk 14:26);

Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein; (Luk 14:26, Elb)

oder:
Und ein jeder, der Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen verlassen hat, wird hundertfach empfangen und ewiges Leben erben. (Mat 19:29, Elb)

Jesus hat Petrus und seine Freunde von ihren Familien und von ihrem Beruf weggerufen, ebenso den Matthäus von seinem Zoll. Er hat den reichen Jüngling gefragt, ob er nicht sein Hab und Gut weggeben wolle, um ihm nachzufolgen. Er hat sogar den, der seinen Vater begraben wollte, von seiner Sohnespflicht abgehalten, und dem, der für seine Freunde noch einen Abschied geben wollte, nicht gestattet, seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Sich selbst verleugnen ist somit das große, entschlossene „Nein“, das den einzelnen frei macht, seiner Bestimmung zu folgen, zu sich selbst zu kommen und frei zu sein für den Weg der Wandlung. Nur wer sich gelöst hat von den kollektiven Zwängen seiner Herkunft und seiner Umgebung – wer den Ruf Jesu ganz persönlich für sich als einen Anruf an seine göttliche Bestimmung gehört hat, ist fähig zur Nachfolge im Sinne Jesu. Gott ruft aus Abhängigkeiten, die den Menschen entwürdigen und knechten. Ein Beispiel aus dem Neuen Testament ist das Nein des verlorenen Sohnes, das dieser seinem Dienstherren, seiner Arbeitsverpflichtung – nämlich Schweine zu hüten -, seinem Lebensstil und seinem Freundeskreis gegenüber ausspricht, um sich kompromißlos auf den Weg zu machen, der zu seinem Vater führt.

(Wilhard Becker, „Wandlungen“, 1987)

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Perish all intrigue and cunning!
Perish all that fears the light!
Whether losing, whether winning,
Trust in God and do the right.

(N. Macleod)

Vergesst alle Intrigen und Gerissenheit!
Hinweg mit allen, die das Licht fürchten!
Ob verlieren, ob gewinnen,
Vertraut auf Gott und tut das Richtige.

Kommentare

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(Nutzer gelöscht) 16.07.2022 16:18
Bei manchen biblischen Begrifflichkeiten assoziiert man aus dem eigenen Erleben heraus alles Mögliche und am Ende geht es an dem, was wirklich gemeint ist, weit vorbei. Selbstverleugnung ist auch so ein Wort. Dein Beitrag, lieber Zeitzeuge, lenkt meinen Blick zum Thema Selbstverleugnung von eigenen Erlebnissen weg und zeigt etwas anderes, Tröstliches. Danke dafür. 
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