Die Unmündigkeit und die Hindernisse auf dem Weg zur Selbstbestimmung

Die Unmündigkeit und die Hindernisse auf dem Weg zur Selbstbestimmung
Die Unmündigkeit und die Hindernisse auf dem Weg zur Selbstbestimmung
„O, ihr armen, elenden Menschen, die auf euer Unglück versessen und für euer Heil mit Blindheit geschlagen seid, ihr lasst euch das schönste Stück eures Einkommens wegholen, eure Felder plündern, eure Häuser berauben und den ehrwürdigen Hausrat eurer Väter stehlen.“

So Étienne de La Boétie in seiner Schrift „Von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen“, die er um 1550 verfasste. Und er fährt fort:
„Der Mensch, welcher euch bändigt und überwältigt, hat nur zwei Augen, hat nur zwei Hände, hat nur einen Leib und hat nichts anderes an sich als der geringste Mann aus der ungezählten Masse eurer Städte; alles, was er vor euch allen voraus hat, ist der Vorteil, den ihr ihm gönnet, damit er euch verderbe. Woher nimmt er so viele Augen, euch zu bewachen, wenn ihr sie ihm nicht leiht? Wieso hat er so viele Hände, euch zu schlagen, wenn er sie nicht von Euch bekommt? Wie hat er irgend Gewalt über euch, wenn nicht durch euch selber?“

Étienne de La Boétie beantwortet hier die alte Frage. Wie kommt es, dass ein Einzelner das Volk beherrscht, ist er doch auch nur ein Mensch mit all seiner Beschränktheit und Endlichkeit. Und die Antwort der Aufklärung: Es ist die Kraft seiner Untertanen, die sich der Herrschende angeeignet, die ihm die Bürger überlassen haben und die dieser gegen sie selbst anwendet: Selbstentmündigung als Quelle der Macht der Elite.
 
De la Boétie beschreibt also exakt den Zustand, in dem das deutsche Volk noch heute verharrt. Die Aufklärung 200 Jahre später wollte die Deutschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit herausführen. Vergebens! Die Aufklärung ist damit weitgehend gescheitert.

Immanuel Kant thematisierte im Dezember 1784 in der Berlinischen Monatsschrift erneut die Frage nach der Aufklärung, die er mit den berühmten Worten definierte:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“

De La Boétie hatte erkannt, dass der Mensch es selbst ist, der sich seiner politischen Kräfte entäußert hat. Kant fragt weiter: Warum tat er das?
„Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Dass der weitem größte Teil der Menschen den Schritt zur Mündigkeit, außer dem dass er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar liebgewonnen, und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ.“

https://apolut.net/die-verfassungskonforme-revolution-von-friedemann-willemer/

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