„Keine Heldenrolle“

„Keine Heldenrolle“
„Keine Heldenrolle“

Das Leben der Christen hat auch eine wesentliche Bedeutung für die Außenwelt. Eine Rolle beim Theater wird ja nicht um der Bühne willen und wegen eines Ensembles gespielt, sondern für ein Publikum, dem durch das Spiel eine Botschaft vermittelt werden soll. Christen spielen eine besondere Rolle. Sie stehen im hellen Rampenlicht. An ihrer Art zu leben, Gemeinschaft zu bilden und miteinander zu arbeiten, soll die Welt erkennen, was ein erfülltes Leben ist. Christliches Leben und Handeln, christliche Gemeinschaften sollen vorbildlich sein. An ihnen will Gott „vorbilden“ und darstellen, welche Möglichkeiten und Kräfte der Erlösung und des Heils bei IHM vorhanden sind. Ihr Leben soll Hoffnung geben für alle, die mit der Rolle ihres Lebens nicht mehr fertig werden.

Jesus beauftragt seine Jünger, seine Zeugen zu sein“.

Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde. (Apg 1:8, Elb)

Sie sollen sein Leben, seine Art und damit die Wirklichkeit Gottes durch ihr Leben bezeugen. Dabei geht es nicht um Perfektion und Fehlerlosigkeit. Die Welt braucht ja keine Vorführung dessen, was Heldentum und Superleistungen sind, sondern sie braucht vielmehr eine Demonstration der Überwindungs- und Verwandlungskräfte aus der göttlichen Welt. Wie gut begabte, geistig, körperlich oder charakterlich hoch qualifizierte Menschen das Leben meistern, ist zwar beeindruckend, aber nicht sehr hilfreich. Wichtiger ist, zu sehen, wie Schwächen, Fehler, Sünden, Leid, Hoffnungslosigkeit überwunden werden können. Deshalb sind die Rollen, die wir für Jesus spielen, keine Heldenrollen. Sie sind im menschlichen Sinne nicht begehrenswert. Unserer natürlichen Neigung nach würden wir uns viel lieber eine andere Rolle ausgesucht haben. Es ist göttliche Weisheit, die unser Leben bestimmt hat, sowohl Ort und Zeitraum als auch die Rolle, die wir in diesem Rahmen spielen sollen. Wir dürfen uns darauf verlassen, daß die uns durch Gott aufgetragenen Lebensumstände mit all ihren Höhen und Tiefen, Schwierigkeiten und Nöten genau unserer innersten Anlage und dem, was durch uns dargestellt werden soll, entsprechen.

Wer seine Rolle nicht annimmt oder, wie Jesus sagt, „wer sein Kreuz nicht aufnimmt“, verfehlt sein eigentliches Leben und wird zur Karikatur, zum abschreckenden Beispiel.

Er sprach aber zu allen: Wenn jemand mir nachkommen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf täglich und folge mir nach!
Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten. (Lukas 9:23,24, Elb)

Aus dem Neuen Testament wissen wir, daß nicht nur Menschen zum Publikum der auf der Bühne des Lebens agierenden Gemeinde gehören, sondern auch unsichtbare Mächte, die mit besonderer Aufmerksamkeit die Entfaltung und das Zusammenspiel der Christen beobachten, - einerseits voller Schrecken im Warten auf das Gericht, - andererseits voller Hoffnung auf die endgültige Erlösung. Viele Christen sind sich noch nicht bewußt, wie groß und wichtig ihre Rolle ist. Das zeigt sich darin, daß sie sich keine große Mühe geben, ihre Aufgabe ernstzunehmen, daß sie zu wenig an die Mitspieler denken und noch weniger an die Zuschauer. David betet einmal: „Herr, laß nicht zuschanden werden an mir, die auf dich hoffen“ (Ps. 69:7).

Lass nicht zuschanden werden an mir, die auf dich hoffen, o du Herrscher, HERR der Heerscharen; lass nicht meinetwegen beschämt werden, die dich suchen, du Gott Israels! (Ps 69:7, Schlachter)

Es gehört deshalb zur Aufgabe eines jeden Christen, seine spezielle Rolle zu erkennen und sich darin zu üben. Es gehört auch zur Aufgabe jeder christlichen Gemeinschaft und Gemeinde, ihren Mitgliedern zu dieser Rollenfindung und Einübung und damit zur Originalität zu verhelfen.

Es stellt sich nun die Frage, wie man seine Rolle erkennt. Paulus macht in Römer 12:2 deutlich, daß dies möglich ist.

Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, dass ihr prüft, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. (Rö 12:2, Elb)

Wichtigste Voraussetzung ist die Bereitschaft, alle bisherigen Vorstellungen fallen zu lassen und ganz neu und ohne Einschränkung nach dem Willen Gottes zu fragen, der für den, der ernsthaft und uneingeschränkt fragt, auch erkennbar ist. Die Vorstellung von einem vollkommenen Willen Gottes ist keine Utopie, sie entspricht dem göttlichen Bauplan der Gesamtschöpfung, der das Leben eines jeden angeht. Die Kräfte des Heiligen Geistes zielen immer in diese Richtung: Befreiung, Entfaltung, Erfüllung, Erlösung, Heil. Das alles sind Ausdrücke für die göttliche Zielsetzung. Wer weniger für sich und die Welt will, wird sich immer schwer tun. Je mehr wir aber dem göttlichen Bauplan entsprechend leben, desto stärker können wir mit seiner Kraft rechnen.

Geschickte Segelbootfahrer können auch gegen den Wind kreuzen, zwar langsam und mühevoll, aber doch dabei vorankommend. Wer aber die Sprache des Windes versteht und mit dem Ruder umgehen kann, wird besser vorankommen. Wir kennen die Zielsetzungen Gottes. In dem Maße, in dem wir unsere geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten und die Wünsche und Zielsetzungen Gottes einstimmen und ausrichten, können wir auch die Kräfte des Geistes voll nutzen und schneller vorankommen.

(Wilhard Becker, „Diktiert von der Freude“, 1970)

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