„Die Macht der Methoden und Strukturen“

„Die Macht der Methoden und Strukturen“
„Die Macht der Methoden und Strukturen“

Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes,
in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden.(Kol 1:13, Luther)


Es gibt kein Leben, auch kein geistliches Leben, ohne daß bestimmte Methoden oder Hilfsmittel gebraucht werden. Diese Mittel sind nicht das Eigentliche, nicht das Leben, aber sie können sehr dienlich sein. Die Gefahr liegt nur darin, daß die Mittel und Methoden sich zum Selbstzweck entwickeln. Jeder wird zugeben, daß zum Beispiel Mannschaftsarbeit eine gute Sache ist. Aber in dieser Arbeitsmethode liegt nicht das Heil, sondern lediglich eine Hilfe. Wer hier zum „Methodisten“ wird, kann einen Auftrag oder einen missionarischen Einsatz in seiner Wirkung beeinträchtigen, weil unter Umständen gerade das Charisma des Evangelisten und nicht die Breitwandwirkung einer Mannschaft nötig ist.

Jeder sieht ein, daß zum Beispiel Stille Zeit eine gute Sache ist. Wer aber nicht die Freiheit behält, auch diese Methode einmal über Bord zu werfen und in ganz anderer Weise mit Jesus zu leben, kann unter Umständen wichtige Erfahrungen mit IHM verpassen. Dasselbe gilt auch für die Beichte. Sie ist ein wunderbares Therapeutikum. Wer sich aber an Arzneimittel gewöhnt, kann süchtig werden. Alle Mittel und Methoden müssen immer wieder kritisch überprüft werden, ob sie helfen oder ob sie zu einer eigenen Gesetzlichkeit entarten, die der göttlichen Inspiration widerspricht. Viele haben noch gar nicht gemerkt, daß sie ihr Gewissen – statt es an Jesus zu binden und sich an IHM zu orientieren – an seelsorgerliche Mittel binden. Sie haben vielleicht ein gutes Gewissen, wenn sie die Bibel gelesen haben, und ein schlechtes, wenn nicht. Dabei wird jeder zugeben, daß Bibellesen etwas Gutes und Lebensnotwendiges ist. Wenn aber mein Gewissen eher schlägt, wenn ich eine Regel oder eine Methode durchbreche, als da, wo ich mich innerlich von Jesus entferne, wird es gefährlich. Gefährlich deshalb, weil unter Umständen mein Gewissen schon beruhigt ist, wenn ich die Methode einübe oder einhalte, dabei aber gar nicht merke, daß eine innere Verbindung zum HERRN fehlt.

Auch unsere Gemeinden stehen in der Gefahr, bewährte Formen der Organisation unkritisch zu gebrauchen und nicht zu merken, wann sie keine Lebensformen mehr sind. Es gab Zeiten, wo das „In-der-Gemeinde-Sein“ gleichbedeutend war mit „Zu-Jesus-gehörend“, und „draußen“ sein bedeutet: keine lebendige Beziehung zu Gott zu haben. Heute merken wir, daß innerhalb unserer Gemeinden – unseres Gemeindezauns – Menschen sind, die keine Verbindung mit Jesus haben, und daß es außerhalb sehr viele gibt, die in dieser Lebensverbindung mit Jesus stehen.

Es gibt aber nicht nur Formen, die leergelaufen sind und das Leben nicht mehr fassen, sondern auch Formen und Strukturen, die lebensbedrohend oder sogar tödlich sind. Es gibt z. B. Wahlsysteme, die durch geschickte Statuten den Regierenden die Möglichkeit bieten, „das Volk“ unmündig zu machen. Es gibt Liturgien und Gottesdienstformen, die mit dem besten Willen nicht mehr zu beleben sind, wie Worthülsen, die keinen Inhalt mehr haben. Man sagt: „einer drischt Stroh“, wenn er viele solcher leeren Hülsen gebraucht. Melodien können einen Text zerstören, und umgekehrt macht manche Musik den Text erst eindrücklich.

(Wilhard Becker)

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