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Das Schicksal der Schneemänner

Das Schicksal der Schneemänner
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Schnee!
Endlich Schnee!
Das erste Mal in diesem Winter!
Ich hatte es nach dem Aufstehen gar nicht glauben können, war überrascht, als die Rollläden hochfuhren und ich sah, dass mein, schon so lange scheinbar leblos im Winterschlaf dahinsiechender Garten, von einer weißen Schneedecke verzaubert worden war. Obwohl noch dunkel, erschien die ganze Welt gleich ein wenig heller. Das weiße Zauberpulver, das die Konturen jedes Busches und jedes einzelnen abgestorbenen Halmes so wunderschön nachzuzeichnen vermag, reflektierte das Licht aus den Wohnungen. Und erhellte sogleich auch meine Stimmung, was eigentlich ziemlich unlogisch ist. Was mich sogar spontan überraschte.
Sowohl, dass es wirklich (nach wiederholt falschen Wettervorhersagen) hier geschneit hatte, als auch, dass ich mich überhaupt darüber freuen konnte.
Weil Schnee und die damit verbundenen glatten Gehwege für mich erst einmal Hausarrest bedeuten.
Aber da ich zurzeit durch ein neues Medikament und einen hartnäckigen, grippalen Infekt geschwächt bin, ist momentan sowieso jeder Gang vor die Tür ziemlich mühselig. Und die Ausgangssperre, die ich mir wetterbedingt sofort verordnete, war direkt auch eine Erleichterung. Obwohl ich mich seit fast einem Jahr, bedingt durch die Kontaktbeschränkungen und diversen Lockdowns, mehr Zeit Zuhause verbringe, als mir lieb ist. Andererseits bin ich inzwischen gut gerüstet, dem Lagerkoller die Stirne zu bieten. Was nicht heißt, dass mir hier nicht trotzdem manchmal die Decke auf den Kopf fällt.
Desto mehr freute ich mich vorgestern über den Tapetenwechsel der Natur direkt vor meiner Haustüre.
Derselbe Ausblick wie in den letzten Monaten und doch so verändert! Die sonst trostlos tropfenden, kahlen Zweige bildeten jetzt einen wunderschönen Kontrast zu der sie filigran nachmalenden, weiß-schimmernden Schneehaube, so dass jeder vorher noch so kümmerliche Strauch wie ein einzigartiges Kunstwerk erschien.
Derselbe Niederschlag, der vom Himmel fällt, nur ein wenig kälter, und meine Niedergeschlagenheit weicht.
Dieselbe chemische Verbindung (ich kann nur immer wieder darüber staunen, was Gott aus Wasser so alles basteln kann) und ein vollkommen anderes Erscheinungsbild.
Derselbe graue Himmel wirft ein helleres Licht auf die Erde.
Dieselbe Schirin mit demselben Husten und einem chronischen Coronalagerkoller, die sich - überrascht von Schnee - gleich ein wenig fröhlicher fühlt.

Und ich war nicht die einzige! Ein benachbartes Seniorenehepaar, beide über 80 bauten begeistert in der Nähe meines Fensters einen Schneemann. Mit viel Freude am Detail. Anschließend strahlten sie mit ihrem Werk um die Wette. 😊

Heute ist die ganze Winterpracht bei uns schon wieder buchstäblich verflossen. Gärten und Häuser liegen wieder in dem gewohnten, tristen Grau der letzten Wochen vor meinem Fenster. Das Tauwetter hat den Schneemann über Nacht geköpft und einer radikalen Diät unterzogen: nur noch der ziemlich abgespeckte Bauch ist übriggeblieben: Möhre und Mütze liegen auf der Wiese; was vom Schneemann übrigblieb, musste ins Gras beißen. Was nicht weiter überraschend ist: das ist nun mal das traurige Schicksal der Schneemänner. Und des Schnees, so er denn überhaupt fällt, im Rheinland.

Überraschend ist eher, dass die Tristesse vor meinem Fenster mich heute nicht runterziehen kann.
Mein Lächeln ist noch nicht weggeschmolzen.
Und ich freue mich auf die nächste himmlische Überraschung! 😊

Kommentare

 
(Nutzer gelöscht) 19.01.2021 10:31
@Schirin
Danke für deinen traumhaften Bericht.

Gottes Schöpfung ist einmalig und wenn wir die weiße Pracht sehen staunen wir über die Schönheit der Natur und werden wieder zum Kind
 
(Nutzer gelöscht) 19.01.2021 10:36
@Schirin
Danke
Schade das du nicht öfters bei CsC deine wundervollen Gedanken die mit Rainer Maria Rilke konkurrieren schreibst.
Es ist immer ein Genuss von dir zu lesen 
 
Marion5000 19.01.2021 11:01
🙂Ich finde es auch superschön. Der SCHNEE macht alles
   so hell und wenn die Strassen frei sind und es
   so bleibt, dann

                           freuen sich ALLE von Herzen❤
 
Manohara 19.01.2021 12:37
Des einen Freund des anderen Leid. Ich hatte die Tage Winterdienst in zwei Wohngebieten. 
Bedeutet 5 uhr vor der Arbeit beginnen und etwa 4 Stunden Schnee schippern und streuen. 
Im Hüftgelenk und in der Schulter habe ich keine Knorpelmasse mehr. 
Für mich persönlich war es nicht gerade schön. Jetzt ist Tauwetter, eine Erholung für meine Gelenke. 
Für mich ist alles Wetter schön... außer Schnee 😘
 
Schirin 19.01.2021 14:05
@ Sadie und Marion: Danke lachendes Smiley Jetzt verschafft mir dieser schöne Schneetag auch noch so liebe Worte! lachendes Smiley

 Manohara: Das ist hart! Ich habe oft an Schneetagen auch besonders zu kämpfen und bin dann sehr dankbar für die Menschen, die den Schnee wegschippen!
 
(Nutzer gelöscht) 19.01.2021 14:16
die leise Veränderung durch den Schnee hast du so gut eingefangen, ich kann dich am Fenster sehen und das alles betrachten, auch das Rentnerehepaar mit ihrem kindlichen Vergnügen beim Schneemannbauen. Danke fürs Teilen. Du solltest schreiben. Da ist so ein Hausarrest auch gut geeignet, da darf man ohne schlechtes Gewissen zu hause bleiben.

Ich wohne gegenüber der technischen Fachhochschule und die Studenten hatten einmal einen großen Kühlschrank mit Glastüre gebaut und den Schneemann weit über den Frühling hinein darin gerettet................ das war so lustig, immer wenn man daran vorbei ging, dann konnte man diesen lustigen Gesellen sehen, in seinem Schutzhäuschen

so sind wir wohl auch, in unseren Schutzräumen im Moment und winken nach draußen über CsC in die Welt und freuen uns trotz allem
 
einSMILEkommtwieder 19.01.2021 22:33
Paul Schneemann stand auf einer Wiese;
mit weißem Schnee bedeckt war diese.
Paul Schneemann freut sich gar sehr,
denn die Umgebung war wie er.

Ein Mensch, der dort vorbeiflanierte,
ein herzzerreißend Mitleid spürte:
"Dem Armen dort ist sicher kalt -
oh grausame Naturgewalt!"

Er nahm ihn mit in seine Wohnung,
legt´ ihn ins Bett, gebot ihm Schonung,
doch ehe noch der Morgen graut,
war der Schneemann aufgetaut.

Und die Moral von der Geschicht:
Was einem frommt, frommt jedem nicht.


(Johannes Denger)



... dieses Gedicht bekam ich dieses Jahr zu meinem Geburtstag geschenkt 😊
 
Schirin 20.01.2021 09:36
@ Ist was für eine lustige Idee von den Fachhochschülern! Und was für ein schönes Bild für uns in unserer momentanen Situation! Ich danke Dir dafür!

@ EinsSmile Danke für das gelungene Gedicht von Deinem Freund. Ich musste beim Lesen schmunzeln, er hat so trefflich beschrieben,  wie man jemanden zu Tode lieben kann 
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