Wenn das Maß sich wendet: Die Letzten und der kommende Ruf
22.06.2025 09:14
Wenn das Maß sich wendet: Die Letzten und der kommende Ruf
22.06.2025 09:14
Wenn das Maß sich wendet: Die Letzten und der kommende Ruf
Wenn das Maß sich wendet: Die Letzten und der kommende Ruf
von André Knips
-
21. Juni 2025
„Und siehe, viele Erste werden Letzte sein, und Letzte werden Erste sein.“ So sprach der Heiland. Nicht als Parole, sondern als Gesetz. Nicht als Trost für die Schwachen, sondern als Schwert gegen das Falsche. Er sprach es im Zusammenhang von Lohn, von Reich, von Herrschaft. Und vor allem: von der Stunde, in der alles gewendet wird. Diese Worte stehen nicht für Sozialutopie. Sie sprechen nicht von irdischer Gleichheit. Sie meinen keine Revolte von unten, keine Umverteilung, kein Klassenkampf. Sie sprechen vom Letzten Tag. Von der Stunde, in der die Masken fallen. Vom Moment, in dem jeder Mensch vor sich selbst steht und nichts mehr verbergen kann.
von André Knips
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21. Juni 2025
„Und siehe, viele Erste werden Letzte sein, und Letzte werden Erste sein.“ So sprach der Heiland. Nicht als Parole, sondern als Gesetz. Nicht als Trost für die Schwachen, sondern als Schwert gegen das Falsche. Er sprach es im Zusammenhang von Lohn, von Reich, von Herrschaft. Und vor allem: von der Stunde, in der alles gewendet wird. Diese Worte stehen nicht für Sozialutopie. Sie sprechen nicht von irdischer Gleichheit. Sie meinen keine Revolte von unten, keine Umverteilung, kein Klassenkampf. Sie sprechen vom Letzten Tag. Von der Stunde, in der die Masken fallen. Vom Moment, in dem jeder Mensch vor sich selbst steht und nichts mehr verbergen kann.
Was kein Gewissen hat, kann kontrolliert werden
Heute wird nicht mehr der Zehnte gegeben. Heute frisst das System alles. Die Steuern verschlingen nicht nur den Lohn, sondern auch den Sinn. Was gegeben wird, kehrt nicht zurück. Und was genommen wird, dient nicht dem Ganzen, sondern dem Apparat. Unsere Anführer sind keine Hirten mehr. Sie sind Manager. Projektleiter der Macht. Und die meisten von ihnen: leer. Charakterlos in der Tiefe, maskiert in der Oberfläche. Egoistisch, narzisstisch, innerlich hohl. Wer Mitgefühl hätte, würde an diesem System zerbrechen, lange bevor er emporsteigt. Darum braucht es Druckmittel. Darum gibt es Listen. Darum gibt es Verfahren wie Epstein und Geheimdienste. Denn was kein Gewissen hat, kann kontrolliert werden.
Der Erste von heute ist kein Führer. Er ist Funktion. Er ist Sprechblase. Er ist das Produkt einer Welt, die vergessen hat, was Würde ist. Doch in dieser Verdrehung liegt bereits das kommende Gericht. Denn was oben ist, ohne Fundament, wird fallen. Und was unten stand, weil es nicht wich, wird sich erheben. Wir leben in einer Zeit der Masken. Unsere sogenannten Führenden sprechen in Phrasen, handeln in Floskeln, regieren ohne Inneres. Sie tragen Anzüge, aber keine Verantwortung. Sie rezitieren Menschlichkeit, aber zeigen keine.
Ihre Gesichter sind glatt, aber in ihren Augen brennt nichts. Was sie antreibt, ist nicht Berufung. Es ist Ehrgeiz. Geltung. Absicherung. Sie steigen auf in Systemen, die nicht nach Tiefe fragen, sondern nach Fügsamkeit. Nicht nach Charakter, sondern nach Loyalität zur Funktion. Ein Mensch mit Mitgefühl, mit Maß, mit Gewissen: er würde an diesem System zerschellen. Noch bevor er eine Stufe erklimmt, würde er aussortiert, belächelt, kaltgestellt. Denn Mitgefühl ist Sand im Getriebe. Und Wahrheit ist Sprengstoff für die Macht.
Abgeschnitten vom Mythischen
Deshalb braucht das System andere Werkzeuge: Druck. Erpressung. Schweigepflicht.
Es duldet nur jene, die etwas zu verbergen haben, damit sie geführt werden können, selbst wenn sie führen. So kommen sie nach oben: nicht die Besten, sondern die Geformtesten.
Nicht die Leuchtenden, sondern die Nützlichen. Und was sie oben angekommen tun, ist nicht Führung. Es ist Verwaltung des Verfalls. Die meisten von ihnen glauben noch nicht einmal an das, was sie sagen. Sie dienen keinem Ideal. Sie folgen keinem Stern. Sie beugen sich dem Fluss der Interessen, der Macht, der Selbstsicherung. Sie stehen nicht auf. Sie driften mit.
Und darum ist ihre Leere gefährlich. Denn eine leere Seele kann gefüllt werden: mit allem. Mit Ideologie. Mit Gier. Mit Gehorsam. Diese Leere ist nicht nur ein moralisches Problem, sondern ein archetypisches.
Unsere Anführer verkörpern nicht mehr das Königsprinzip, jenen archetypischen Herrscher, der Weisheit, Verantwortung und Schutz ausstrahlt. Stattdessen stehen sie im Bann des entleerten Vaters, der die Form wahrt, aber keine Kraft mehr trägt.
Tiefenpsychologisch gesehen fehlt ihnen die Anbindung an das Symbolische, an das Überpersönliche. Sie leben abgeschnitten vom Mythischen, vom Höheren, das ein Führer eigentlich verkörpern müsste.
Darum sind sie leer: Weil sie nicht mehr Gefäß sind, sondern Projektionsfläche. Weil sie nicht mehr Herrscher sind, sondern nur noch Spiegel des entfremdeten Kollektivs. Ihre Leere ist also nicht nur individuell, sondern kollektiv mit verursacht, ein Schatten der Zeit, verdichtet im Gesicht der Macht. Doch in ihrer Leere liegt auch ein Zeichen. Denn was hohl ist, wird hallen. Und was nur Fassade ist, wird zerfallen.
Gegenwart statt Lautstärke
Die Letzten, Wer sind sie wirklich? Sie tragen keine Titel. Sie stehen nicht auf Bühnen.
Sie werden nicht eingeladen und sie drängen sich nicht auf. Die Letzten, von denen der Heiland sprach, sind nicht die Geknechteten im sozialen Sinn, sondern die, die sich nicht verführen ließen.
Sie sind die Stillen. Die Abgewiesenen. Die Späten. Die, die zu tief fühlten, um mitzuspielen. Die, die sich nicht beugen konnten, auch wenn es ihnen die Wege verschloss. Die, die lieber wenig hatten, als sich selbst zu verlieren.
Sie leben oft am Rand. In Berufen, die nicht glänzen. In Städten, die keiner kennt. In Körpern, die nicht geformt sind für den Wettbewerb. Aber in ihren Augen liegt etwas, das sich nicht kaufen lässt: Wahrhaftigkeit.
Diese Menschen wirken nicht durch Lautstärke, sondern durch Gegenwart. Sie führen kein Banner, aber wenn Du ihnen begegnest, weißt Du: Hier ist etwas, das trägt.
Sie sind da, wie verborgene Pfeiler unter einem morschen Bauwerk. Sie dienen nicht, um gesehen zu werden. Sie lieben nicht, um geliebt zu werden. Sie tun das Rechte, auch wenn es sie alles kostet. Diese Letzten sind nicht ohnmächtig. Sie warten nicht. Sie bereiten.
Und wenn die Ordnung kippt, werden sie stehen. Nicht weil sie Macht wollen, sondern weil sie es nie waren, die gefallen sind.
Der Schleier fällt
Es wird keine Erlösung von außen kommen. Nicht durch Systeme, nicht durch Parteien, nicht durch neue Ordnungen. Was kommt, ist Prüfung. Nicht im Spektakel, sondern im Verborgenen. Jeder Mensch, der in dieser Zeit lebt, steht vor einer unsichtbaren Schwelle. Und sie fragt nicht nach Herkunft, nicht nach Meinung, nicht nach Zugehörigkeit. Sie fragt nur: Wirst Du wahr bleiben, wenn es Dich alles kostet?
Die Prüfung ist alt. Sie kam zu Jesus in der Wüste. Zu Buddha unter dem Baum. Zu jedem Menschen, der zwischen Licht und Schatten stehen musste. Heute ist die Prüfung subtil.
Sie heißt: Mitlaufen oder Aufrechtgehen. Sie heißt: Karriere oder Wahrheit. Sie heißt: Sicherheit oder Seele. Sie kommt nicht als Schicksalsschlag, sondern als Entscheidung. In jedem Gespräch. In jeder Geste. In jedem Moment, in dem Du wüsstest, was recht wäre, aber schweigst.
Und wer die Prüfung besteht, der wird nicht gefeiert. Er wird nicht gelobt. Er wird oft allein sein. Aber in ihm beginnt etwas zu leuchten, das größer ist als Erfolg. Eine Kraft, die nicht ihm gehört, aber durch ihn wirkt.
Die Prüfung ist einfach: Wirst Du dem treu bleiben, was in Dir still ist, auch wenn draußen alles schreit? Wer das kann, hat bestanden. Es gibt eine Grenze, auch wenn sie lange unsichtbar bleibt. Eine Schwelle, jenseits derer die Welt sich selbst nicht mehr tragen kann. Die alten Schriften nennen sie das Ende der Zeit, nicht als Weltuntergang, sondern als Aufdeckung.
Apokalypsis: Enthüllung. Wenn das Maß voll ist, kippt nicht nur das System. Es kippt die Ordnung des Sichtbaren. Was bisher Macht hatte, wird machtlos. Was bisher ausgelacht wurde, steht plötzlich im Licht. Denn Wahrheit kann nicht ewig verdrängt werden. Sie sammelt sich, leise, unaufhaltsam, wie Wasser hinter einem Damm.
Die stille Ordnung kehrt zurück
Und wenn der Damm bricht, bricht nicht Chaos aus, sondern Klarheit. Dann fällt der Schleier. Nicht, weil jemand ihn zieht, sondern weil nichts mehr bleibt, was ihn hält.
Die Ersten werden die Letzten sein. Und nicht durch Zorn, nicht durch Rache, sondern durch das bloße Wirken des Gesetzes.
Der Narzisst wird mit sich selbst eingesperrt. Der Täuscher wird von seinem eigenen Trug verschluckt.
Und der, der wahr blieb, wird erhoben, nicht durch Macht, sondern durch Anziehung. Denn in einer Welt, die brennt, sucht alles das Wasser. Und die, die Wasser tragen, werden gerufen.
Diese Umkehr ist kein Triumph. Sie ist eine stille Ordnung, die zurückkehrt. Nicht laut. Nicht gewaltsam. Aber endgültig.
Es wird die Stunde kommen, da das Licht nicht mehr an den Höhen gesucht wird, sondern in den Tiefen. Nicht in den Palästen wird es aufleuchten, sondern im Herzen der Unsichtbaren.
Die Masken werden fallen, nicht weil jemand sie reißt, sondern weil sie keinen Halt mehr finden. Was heute zählt, wird bedeutungslos. Was heute lacht, wird verstummen. Was heute herrscht, wird sich selbst richten. Denn das Gesetz ist nicht Menschenwerk. Es ist webend.
Unbestechlich. Und wenn es zurückkehrt, ist der Erste nicht mehr vorn, und der Letzte nicht mehr unten. Dann wird der Eine, der heute verlacht wird, gerufen werden. Nicht mit Fanfare, sondern mit Not. Denn nur wer standhielt, kann jetzt tragen.