weiße TaubeChrist sucht Christ Logo ohne Taube

"Verwirklichung der Lebensfreude"

"Verwirklichung der Lebensfreude"
Wenn es nun irgendeine Ermunterung in Christus ⟨gibt⟩, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgendein herzliches ⟨Mitleid⟩ und Erbarmen,
2 so erfüllt meine Freude, dass ihr dieselbe Gesinnung und dieselbe Liebe habt, einmütig, eines Sinnes seid,
3 nichts aus Eigennutz oder eitler Ruhmsucht ⟨tut⟩, sondern dass in der Demut einer den anderen höher achtet als sich selbst; (Phil 2:1-3, Elb)

"Verwirklichung der Lebensfreude"

Paulus geht es, bei der Verwirklichung der Lebensfreude um eine Durchdringung aller Bereiche des Lebens, um eine Ausweitung in alle Richtungen; nach innen im Sinne der Vertiefung, nach außen im Sinne der Erweiterung. Lebensfreude ist Anzeichen einer gelungenen Entwicklung, Ausdruck der Harmonie. Leib und Seele freuen sich. Der einzelne ist in Harmonie mit sich selbst und mit seiner Umwelt.

Man könnte diese Lebensfreude, die auf Ganzheit und Harmonie beruht, von der geistlichen Freude unterscheiden, die einen hohen Stellenwert hat und zur Frucht, d.h. zu einer Wirkung des Heiligen Geistes gehört. Sie ist unabhängig von den naturgegebenen Voraussetzungen. Sie ist nicht an Harmonie gebunden. Sie beweist sich auch noch in großen Disharmonien.
Manchmal werden Christen von ihren Mitmenschen wegen ihrer Tapferkeit bestaunt, wegen ihrer Freude trotz aller Probleme, trotz Leid und Schmerz. Dieses Staunen kann zwar ein Ausdruck von Bewunderung sein, aber auch ein Ausdruck von Distanz. Man findet diese Freude erstaunlich, aber man möchte sie nicht haben. Man möchte nicht so erleben und leben und auch nicht so werden.

Vielleicht spüren solche Menschen, daß die "christliche" Lebensfreude manchmal ganze Bereiche, die zu unserem Menschsein gehören, ausschließt. Durch moralische Gesetze und eine Überbetonung des Geistes, die den Leib und seine Sinne abwerten und zu einem Mißverhältnis in der Gesamtheit der Person beitragen, erscheint das Leben u. U. einseitig, zu sehr jenseitsgerichtet, blaß und ohne Anziehungskraft.
...
Wir erleben Freude am stärksten da, wo wir der Schöpfung am nahesten sind - beim Säugling oder Kleinkind z.B. bei denen die Welt noch in Ordnung ist. Mit dem Dazukommen immer neuer Lebens- und Erfahrungsbereiche wird die Harmonie des Anfangs gestört und damit die Lebensfreude beeinträchtigt.

Lebensfreude hat mit Glücklichsein zu tun. Manche versuchen Glücklichsein zu erreichen, indem sie andere glücklich machen. Es ist ein Volksglaube, daß die besten Menschen diejenigen sind, die möglichst viele andere glücklich machen. Das ist eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise. Nicht ein Glücklichmacher beglückt seine Umwelt, sondern ein glücklicher Mensch wirkt beglückend. Glücklichmacher sind wie Spaßmacher. Sie sind zu aktiv, sie sind "Macher". Ihre Aktivität macht die anderen passiv. Ihr Können und Wollen weckt bei den anderen Minderwertigkeitsgefühle und manchmal sogar ein schlechtes Gewissen. Was der andere alles kann und für mich tut, um mich glücklich zu machen! (- und was tue ich?). Glück und Lebensfreude lassen sich eben nicht machen, sondern sind Seinsweisen und Lebensart.

Seinsweisen und Lebensart sind aber nicht nur Geschenke, die vom Himmel fallen, sondern bedürfen der Mitwirkung des ganzen Menschen. So ist auch echte Freude nicht nur eine Gabe, die man empfängt, sondern eine Frucht, die langsam wächst.

Man kann das an einem Beispiel treffend deutlich machen:

Eine Gesellschaft, begibt sich auf eine Bergtour, um einen schwierigen Gipfel zu erreichen. Nach ein paar Stunden läßt sich deutlich feststellen, daß die Gesellschaft sich in drei Gruppen gegliedert hat.
Da ist einmal die Gruppe der "Müden". Sie bedauern, überhaupt angefangen zu haben. Für sie stehen Anstrengung und Erfolg in keinem Verhältnis; Einsatz und Gewinn entsprechen sich nicht. Sie kehren um und sind froh, daß sie die Mühe hinter sich haben.
Die zweite Gruppe ist die Gruppe der "Genießer". Sie sind bald zufrieden, fragen sich, warum sie eigentlich noch höher hinauf sollen. Hier ist es schön; also bleiben sie, wo sie sind. Sie nutzen die Aussicht und die Gegebenheiten und freuen sich an dem, was ist.
Die dritte Gruppe ist noch unterwegs, im Aufstieg. Diese Bergsteiger sind die "Begeisterten". Sie werden sich durch alle Gefahren bis zum Gipfel durchschlagen. Sie erleben schon Freude in der Vorfreude auf das gesetzte Ziel. Sie genießen unterwegs schon die schöne Aussicht und die Rastpausen, die ihnen Erholung und neue Kraft geben. Aber ihnen genügt das bisher Erreichte nicht. Sie wollen auf die Spritze, sie wollen höher und weiter.
...
Verwirklichung der Lebensfreude bedeutet auch die Entdeckung und Entfaltung vorhandener Begabungen und kreativer Fähigkeiten. Es bedeutet sich auch, dem Denken neue Räume zu erschließen - unsern geistigen Horizont zu erweitern und Neues, Unbekanntes kennenzulernen.

Jesus will uns zu vollkommener Freude führen. Er spricht in seinen Abschiedsreden davon:

Dies habe ich zu euch geredet, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude völlig werde. (Joh 15:11, Schlachter)

Bis jetzt habt ihr nichts in meinem Namen gebeten; bittet, so werdet ihr empfangen, damit eure Freude völlig wird! (Joh 16:24, Schlachter)

Nun aber komme ich zu dir und rede dies in der Welt, damit sie meine Freude völlig in sich haben. (Joh 17:13, Schlachter)

Die Freude im Geist steht aber nicht im Gegensatz zur natürlichen, dem Schöpfungsprinzip entsprechenden Freude, sondern sie befreit sogar zu ihr, erfüllt und erhöht sie.
Leider beziehen viele Christen die Erlösungstat Christi nur auf den schmalen Sektor ihres moralischen Versagens. Zum Teil hängt diese Verengung mit einem verengten Sündenbegriff zusammen. Sünde ist keine moralische Kategorie, sondern betrifft alles, was das Leben in seiner Entfaltung und Verwirklichung hemmt und hindert. Dazu gehören Krankheiten des Leibes und der Seele - gestörte Beziehungen zu uns selbst und zu anderen und zu Gott - ein Leben unter dem Niveau, das es eigentlich haben könnte.
Nur wenn wir diesen erweiterten Sündenbegriff akzeptieren, können wir das Erlösungswerk Christi, das mit seinem Kommen begonnen hat, in seiner ganzen, umfassenden Wirkung erkennen und in Anspruch nehmen. Sein Tod und die Auferstehung schenken Lebenskräfte, die für alle Lebensbereiche bestimmt sind und in allen Störungsfeldern und Dunkelheiten zur vollen Auswirkung kommen sollen. Eine Einschränkung der Vergebung auf die Störungen im moralischen Bereich ist eine Verengung des Evangeliums. Diese hat sich nicht nur im Leben der Christen zum Nachteil ausgewirkt, sondern auch auf die Verbreitung der Frohen Botschaft. Die Freude über die vollkommene Erlösung ist dabei zu kurz gekommen. Die Heilungsenergien, die durch den Heiligen Geist in die Welt fließen, betreffen alle Bereiche unseres Lebens. Gott liebt die ganze Welt mit allem, was zu ihr gehört, und möchte sie den Pulsschlag Seiner Freude spüren lassen.

Jesus hat seine Jünger in eine immer engere Beziehung zu sich selbst gezogen. Er hat sie immer tiefer in seiner Gedanken und Absichten hineingenommen - in seine Art, die Welt zu sehen und mit Gott zu sprechen. Am Schluß seines Lebens hat er sie seine Freunde genannt. Seine Freunde, seine Art, das Leben zu leben und die Beziehungen zu gestalten, sind für sie Vorbild.
Jesus war ein ganzer Mensch, und seine Lebensfreude zeigte sich in allem. Er konnte Essen und Trinken genießen, er liebte die Gesellschaft von Menschen und das Alleinsein, die Einsamkeit und das Gespräch mit Gott. Er liebte die ihn umgebende Natur - die Fülle der Gleichnisse und Beispiele, die aus diesem Bereich stammen, sprechen dafür. Er liebte die Kinder und Frauen. Er konnte den Schlaf genießen und die Nachtgespräche mit Freunden.
Jesus war kein trockener Asket und kein fanatischer Kämpfer für eine Idee - noch nicht einmal ein Kämpfer für die Wahrheit. Er lebte sie - sein Leben war Wahrheit.

Keiner konnte ihn für sich oder für seine Zwecke beschlagnahmen, er gehört ganz sich selbst. Er war von niemandem abhängig und deshalb für alle zugänglich. Er war nicht nur lebendig, sondern das Leben in Person. Er war nicht nur freudig, sondern die Freude.
In ihm erfüllt sich die Lebensfreude im Sinne der Schöpfung und Erlösung. Er war nicht nur ganz Mensch, sondern der ganze Mensch, die integrierte Persönlichkeit.
Wir folgen keinem Ideal, sondern indem wir an ihn glauben, folgen wir dem Menschen Jesus nach, der uns nicht absolute Ziele und Maßstäbe gesetzt hat, sondern in dem Gott ganz verwirklicht war und in dem die Freude vollkommen wohnte.

(Wilhard Becker, "Wandlungen", 1987

Kommentare

Schreib auch du einen Kommentar
 
Geistreich 07.08.2022 10:35
„Freuet euch in dem HERRN allewege! Und abermals sage ich: Freuet euch!“
‭‭
Einen schönen gesegneten Sonntag!
 
Digrilimele 07.08.2022 12:03
Danke für den Text, Zeitzeuge.
Und ja, Jesus tat nichts aus eigener Kraft heraus, er war erfüllt mit dem Heiligen Geist, so wie wir es heute auch sein dürfen, wenn wir denn unser Leben übergeben haben und es wirklich ernst mit ihm meinen. 
Jesus liebte das Leben, so wie wir es auch können und sollen. Nicht das wir kein Leid in dieser Welt erleben oder die  täglichen Herausforderungen uns manchmal zu erdrücken scheinen, aber da wir sein Leib sind, wissen wir, dass er uns auch darin treu zur Seite steht. Er ist immer für uns da.
Jesus Christus ist der selbe gestern, heute und in alle Ewigkeit.
weiße TaubeJetzt kostenlos registrieren